Reise nach Hoi An Teil 2

Wenn man nach so vielen Jahren eine Stadt in Asien erneut besucht, stellt sich meist Enttäuschung ein. In den aufstrebenden Staaten in Südostasien verändert sich die Welt in rasendem Tempo. 

Der verschlafene Fischerort am Thu Bon Fluss mit renovierungsbedürftigen, wunderschönen, jahrhundertealten Wohnhäusern, geprägt durch Chinesen, Japaner und später durch Holländer, Franzosen und Portugiesen ist nicht wiederzuerkennen. Vor fünfzehn Jahren fühlten wir uns fast als Entdecker dieses Kleinods. Wenige Touristen spazierten durch die kaum befahrenen Straßen. Damals lebten 25000 Einwohner in der Stadt. Heute hat sich die Einwohnerzahl verdreifacht. In Vietnam gibt es keinen anderen Ort, der so gut erhalten ist. Im Vietnamkrieg spielte Hoi An keine Rolle und blieb heil.

Der eigentliche Boom begann bereits Anfang des neuen Jahrtausends. Als im Laufe der Zeit immer mehr Touristen diese pittoreske, kleine Stadt in ihr Reiseprogramm aufnahmen, wurden die Besitzer der alten Häuser durch billige Kredite mehr oder weniger gezwungen ihre Anwesen zu renovieren. Zu dem Stil-und Epochenmix gehören chinesische Shophouses, Tempel in Holzbauweise, farbenfrohe Gebäude aus der Kolonialzeit sowie typische vietnamesische, schmale Stadthäuser. Viele Fassaden sind überaus kunstvoll gestaltet, andere kitschig verunstaltet.

Wir hatten gehofft, dass die Altstadt bereits vormittags für den motorisierten Verkehr gesperrt wird. Leider drängen sich Mopeds rücksichtslos durch die Menschenmengen, die unterwegs sind, die historische Stadt anzuschauen. 

Nach dem Gang über den Lebensmittelmarkt sind wir schon mit den Nerven am Ende. Ständig hupt ein Moped hinter uns, damit wir Platz machen. Für einen Friedrich, der die Krücken schwingt, nicht einfach voranzukommen. Schließlich lässt er sich in einem Café nieder, denn wir finden keinen seriösen Laden, der eine Sim Karte verkauft. Ein Shopverkäufer empfiehlt mir zur Post zu gehen. Auch die muss erstmal gefunden werden ohne google maps. Allein komme ich schneller voran , durchquere einen großen Teil der Altstadt und finde schließlich eine Filiale des Postamtes. Die Dame am Schalter weist mich an zu warten. Nachdem ich 10 Minuten auf einem kleinen Stuhl geduldig ausharre, kommt eine etwa 45 Jahre alte Vietnamesin und beginnt mich erstmal auszufragen. Als sie erfährt, das ich Deutsche bin, gerät sie in Entzücken. Ihre behinderte Tochter hat eine Deutsch-Vietnamesin, die in Deutschland aufwuchs als Lehrerin. Diese hat ihre Schülerin sogar mit nach Deutschland genommen, damit sie die Sprache noch besser lernt. Als sich herausstellt, dass die Lehrerin aus Mannheim ist und ich nur wenige Kilometer entfernt wohne, lädt mich die Simkartenverkäuferin zu sich nach Hause ein. Das lehne ich freundlich ab und berichte ihr von Friedrich, der auf mich wartet. Jetzt zückt sie ihr handy und zeigt mir dutzende Fotos von Tochter, Lehrerin, Feierlichkeiten in ihrem Haus. Ich schaue mir alles geduldig an. 

Nach einer halben Stunde mache ich ihr klar, dass wir nun unser Geschäft abwickeln sollten, weil Friedrich sich sonst Sorgen macht, wo ich bleibe. Sie verkauft mir die Simkarte mit Guthaben für einen Bruchteil des üblichen Preises. Beim Abschied drückt sie mich, eine sonst unübliche Geste in Vietnam. Sie ist sichtlich gerührt, dass ich ihr zugehört habe, aus der Nähe von Mannheim komme und nimmt das als gutes Omen.

Wider Erwarten ist Friedrich noch nicht in Sorge, als ich zu ihm zurückkehre. Es gab genug zu sehen. Das Straßenbild ändert sich alle paar Minuten durch vorbeiziehende westliche Touristen, Rikschafahrer, koreanische oder chinesische Reisegruppen im Tross, angeführt durch ruppige Reiseleiter.

Auf unserem Balkon machen wir Mittagspause und verzehren ein leckeres Banh Mi, ein krosses Baguettebrötchen belegt mit gegrilltem Schweinfleisch, Salat und Kräutern, gewürzt mit Chilisauce.

Spätnachmittags mischen wir uns in die Massen, die sich pünktlich zum Sonnenuntergang am Fluss einfinden.

Mit einem offenen Taxi-Elektrowägelchen, wie man sie von Golfplätzen her kennt, lassen wir uns zur Japanischen Brücke fahren. Sie gilt als Wahrzeichen der Stadt. Im 16. Jahrhundert erbaut, verband sie zwei historische Bezirke. Die Chinesen auf der einen Seite und die Japaner auf der anderen Seite des Flusses unterhielten freundschaftliche Handelsbeziehungen in der Hafenstadt.

Auf dem Weg dorthin staunen wir über die unzähligen Souvenirshops, Schneidereien, Stoffläden, Seidenlaternenläden, Restaurants, Cafés. Verkehrsgewusel mit ständig hupenden Mopeds, Autos und klingelnden Rikschafahrern begleiten uns bis zum Ziel. 

Für die Kulturdenkmäler und Tempel muss man sich eine Eintrittskarte im Touristenoffice holen. Wir verzichten darauf, da wir diese Sehenswürdigkeiten bereits kennen und aufgrund der davor Schlange stehenden Massen kein Bedürfnis haben, uns das anzutun. Man wird von Verkäufern oft angequatscht, ob man nicht etwas in ihrem Laden oder Stand erwerben möchte. In Ruhe was anschauen geht nicht. Ein Mann, der Bootstouren verhökert, will unser "Nein danke" nicht verstehen. Man muss fast unhöflich werden, um sich die aufdringlichen Händler vom Hals zu halten. Der Tourismus ruiniert viel. Die Authentizität geht verloren. Speziell für die asiatischen Touristen zählt nur das Selfie vor dem Hintergrund der in güldenes Licht getauchten Stadt.

Wir entfliehen in eines der vielen Restaurants mit Blick auf den Fluss. Hier kommen wir zur Ruhe,  trinken vietnamesisches Bier und essen das für Hoi An typische Gericht Cau Lau, eine Nudelsuppe mit Schweinefleisch, das mit 5 Gewürzen mariniert wurde, knusprigen Teigcroutons, Salat und Mungbohnensprossen.

Als die Dunkelheit hereinbricht, schmelzen selbst wir dahin. Es scheint, als streife sich die Stadt ein buntes Gewand über. Unzählige Lampions flackern auf den Booten, die über den Fluss gleiten. Die Häuserfassaden, Balkone und Brücken sind in atmosphärisches Licht in allen Regenbogenfarben getaucht. Eine Mischung aus mediterranem Flair der historischen Gebäude, exotischen Gerüchen aus den Küchen der Restaurants und den Lichtern der Laternen, die sich im Wasser spiegeln, durchdringen jede Sinneszelle und verzaubern die Menschen, auch uns.

 

Fortsetzung folgt

 

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