Singapur

Der Flug von Chiang Mai nach Singapur mit der dort ansässigen Billigairline Scoot ist unangenehm. Die Sitze sind schmal, der Abstand zum Vordermann beträgt nur wenige Zentimeter. Drei Stunden können lang sein. Die Passagiere um uns herum sind alle erkältet. Es wird gehustet und gerotzt, was das Zeug hält. Hoffentlich stecken wir uns nicht an.

Die Einreise gestaltet sich wider Erwarten problemlos. Wir werden nicht kontrolliert. Bestens vorbereitet, können wir Arztattest und Medikamentenliste wieder einpacken. Der Automat spukt genügend Singapur Dollar für die ersten Tage aus. Doch wo können wir eine SIM Karte kaufen? Die von mir gewählte Telefongesellschaft ist unauffindbar. Der Flughafen Changi ist riesig. Er gleicht mehr einer Erlebniswelt mit Vergnügungspark denn einem Airport. Genervt drehen wir ein paar Runden um die vielen Geschäfte, Restaurants und Freizeit-Landschaften. Für diese von Menschenhand erschaffene Wunderwelt haben wir keinen Blick übrig. Wir suchen die Metro, die uns schnellstens in die Innenstadt bringen soll. Dabei gäbe es so viel zu entdecken. Verschiedene Gärten, einen Baumwipfel Park, Riesenrutsche sowie den größten Indoor Wasserfall der Welt, umgeben von terrassenförmig anlegten tropischen Wäldern.

Schließlich bringt uns ein Skytrain in einen anderen Terminal. Dort ist die Metro ausgeschildert. Nach nur 30 Minuten Fahrt steigen wir an der Bugis Junction aus.

Bugis komplett verändert

Bugis nannte man früher Piraten aus Südsulawesi, die britische und niederländische Schiffe überfielen.  Das Britische Empire hatte 1819 eine Handelssiedlung in Singapur gegründet. Außer Europäern und chinesen siedelten sich Japaner in der Gegend um Bugis Street an. Da die Mehrzahl der Migranten männlich war, dauerte es nicht lange, bis Prostitution einzog. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es 130 bordelle in der Gegend. Nach dem zweiten Weltkrieg eroberten Transsexuelle die Bugis Street. Nachts ging es bis in die 80ger Jahre heiß her in diesem Viertel. Hausierer, Schuhputzer, Sänger, Seeleute,  Zuhälter bevölkerten die Gassen und mischten sich mit einheimischen Familien und Touristen. Die Drag Queens lieferten ihre Show ab, indem sie ihre Körper zur Schau stellten. Prostitution, sowohl hetero- als auch transsexuelle florierte. Diejenigen, die das Geschäft kontrollierten, organisierten sich in Banden. Straßenschlägereien und Schutzgelderpressung waren an der Tagesordnung. 1985 machte die Regierungdem Treiben zur Enttäuschung der Ladenbesitzer, Straßenhändler  und aller Bugis Street Besucher ein Ende. Die Häuser wurden abgerissen und eine Einkaufsmeile, Hotel, Büros errichtet. Heute ist die Gegend für ausgefallene Modeartikel, Elektronik, billige Ramschprodukte. Immer noch chaotisch, wild und schrill und eng, aber nur für Shoppingfans.

Wir quälen uns mit unseren Koffern durch die Konsum-Berauschten. Es fängt an zu regnen. Gerade rechtzeitig erreich wir das Hotel, checken ein und schnaufen tief durch.

Der kleinste Staat in Asien

Singapur ist der kleinste Staat in Südostasien. Die Fläche von 730 Quadratkilometern, etwa so groß wie Hamburg. Allerdings drängeln sich knapp 6 Millionen Menschen auf der kleinen Fläche, welche seit Jahren durch Landgewinnung erweitert wird. Der akute Platzmangel ist einer der Gründe, warum Singapur zu den Staaten mit den höchsten Lebenshaltungaskosten der Welt zählt. Zusätzlich benötigen 11 Millionen Touristen jährlich ein Raumangebot. Die Straße von Johor trennt den Inselstaat von der malaysischen Halbinsel. 1965 wurde die Republik Singapur von Malaysia unabhängig. Sie entwickelte sich vom Schwellenland zu einem der sogenannten Tigerstaaaten in Asien, die durch wirtschaftliche Weiterentwicklung, Industrialisierung und Ausbau Dienstleistungssektors zuwohlstand kamen. Heute ist Singapur neben Hong Kong das wichtigste Finanzzentrum und Handelsdrehpunkt Asiens.

Durch die ethische Vielfalt treffen Menschen unterschiedlichster Religionen aufeinander. Ein großer Teil der Bevölkerung bekennt sich zum Buddhismus. Christen, Muslime, Hinduisten und Daoisten leben einträchtig mit-oder zumindest nebeneinander. Der Staat strebt nach Harmonie unter den Bevölkerungsgruppen und versucht durch Wohnungsbau die Ethnien zu durchmischen. Die Menschen mit chinesischen Wurzeln machen mehr als 70% der Bevölkerung aus. Sie prägen die Einstellung,  eine stypischen Singapurianer, egal welcher Ethnie: durch Fleiß und Ehrgeiz kann es jeder zu Wohlstand und ansehen bringen.

Singapur hob sich bereits in den späten 1980ger Jahren von anderen asiatischen Ländern und Metropolen ab. Die Stadt war schon damals sauber, bestach durch durchgestylte architektur, elegante Konsumtempel und moderne Infrastruktur.  Überall wurde gebaut. Die Gentrifizierung war in vollem Gang. Authentische, historische Stadtviertel wurden dem Erdboden gleich gemacht. Nicht nur in der Bugis Street, auch in Little India, Chinatown und der Arab Street ersetzte man alte Waren-und Geschäftshäuser durch gesichtslose Hochhäuser oder kitschige Neubauten, die den Stil der früheren Läden imitierten.

Es tat mir damals so leid, dass man statt zu renovieren, ehemals schöne Häuser gnadenlos abriss.

Little India

Aber wir stellen bald fest, dass auch Altes erhalten wurde und die verschiedenen Viertel durch die umtriebigen Menschen, die hier leben, nichts an der einstigen Lebendigkeit verloren haben.

Wir wohnen in der Nähe des Little India Viertels. Durst quält uns. In einer Terrassenwirtschaft wird Tiger Beer, der in Singapur gebraute Gerstensaft, ausgeschenkt. An großen, runden Tischen sitzen nur indische Männer. Frauen Fehlanzeige. Die einzige weibliche Person weit und breit, eine ältere, chinesische Kellnerin, freut sich über unseren Bierdurst. Mit ihrer rauen aber herzlichen Art würde sie in jede bayrische Schänke passen.

Hunger stellt sich ein. Wir schlendern durch kleine Straßen, in denen reges Treiben herrscht. Frauen in prächtigen Saris passen perfekt in die Kulisse der vielen, bunten Stoffläden. Blumenketten werden an jeder Ecke verkauft. Sie werden als Zeichen der Ehre über Schreine gehängt und in Tempeln abgelegt. Außerdem dienen sie als Glückbringer und Versicherung an Moped- und Autospiegeln. Der Geruch von gebackenen Samosas, Curries und Räucherstäbchen macht Lust auf indische Küche.

In einem ansprechenden Restaurant mit kleiner Terrasse können wir den Trubel um uns herum gut beobachten. Das Wasser läuft uns im Mund zusammen, als der Kellner Naan (indisches Fladenbrot), Dal (scharfes Linsengericht), Chicken Tandoori (speziell gewürztes Huhn aus dem Ofen) und Palak Paneer( eine mit Sahnefrischkäse verfeinerte Spinatspeise) bringt.

Der Magen ist voll, wir sind rechtschaffen müde. Wenig später machen wir es uns im komfortablen Bett bequem. In den 13. Stock des Hotels dringen keine Straßengeräusche vor, sodass wir seit langer Zeit wieder richtig gut schlafen. Das Frühstück ist außergewöhnlich reichhaltig und vielfältig. Ob westlich/britische Gerichte, japanisch/chinesische Köstlichkeiten, indische oder arabische Leckereien, Obst aus aller Herren Länder, es fehlt an nichts. Das Personal ist freundlich. Bis weit über das Ende des Zeitfensters werden Speisen nachgelegt. Bei diesem Angebot muss Sightseeing warten. Wir machen es uns gemütlich, obwohl wir heute spät dran sind.

Marina Sands und Gardens by the Bay

Mittags schauen wir uns eine der Hauptattraktionen an, die es bei unseren vorherigen Besuchen der Stadt noch nicht gab: Das Marina Bay Sands Hotel, bestehend aus drei Türmen mit 55 Stockwerken und einem U-Boot ähnlichen Trakt auf dem Dach, mit Skydeck, Bar und Infinity Pool. Ein Gebäude der Superlative. Unterhalb des Hotels dehnt sich ein luxuriöses Einkaufszentrum aus, samt künstlicher Wasserwege, ausgestattet mit Gondeln für das Venedig-Feeling.

Auf einer Seite entlang des Hotels erstreckt sich eine Promenade. Nicht weit das Art Science Museum im Stil einer geöffneten Lotusblüte und der "Flyer", ein 165m hohes Riesenrad, das zweitgrößte weltweit. Nur in Las Vegas will man noch höher hinauf.

Auf der anderen Seite liegt "Gardens by the Bay", ein künstlich angelegter Park. Vielerlei Attraktionen beieindrucken die Besucher. Gewächshäuser mit Pflanzen aus unterschiedlichen Klimazonen, tropische Regenwaldatmospähre, sowie Blumen aus allen Teilen der Welt sind zu bestaunen. Vor allem der "Supertree Grove", 12 Mammutbäumen nachempfundene Stahlgerüste, 20 bis 50 Meter hoch, die nachts beleuchtet werden, imponieren selbst uns, die wir sonst nicht auf künstliche Welten stehen.

Chinatown

Zurück im realen Leben, geraten wir in Chinatown in die nächste Touristenhochburg. Hunderte Menschen zwängen sich durch schmale Gassen mit tausend Shops, Garküchen, Verkaufsständen. Wer glaubt, in dieser Ecke lebten nur Chinesen, irrt. Chinatown ist ein Schmelztiegel der Kulturen. Chinesische, buddhistische, hinduistische Tempel und die älteste Moschee Singapurs stehen nah beieinander, so dass jeder Hawker, Koch, Straßenhändler seine Religion ausüben kann.

Mindestens genauso beeindruckend wie die Architektur der religiösen Stätten, ist der reibungslose Ablauf der Verkehrssysteme. Alle zwei bis vier Minuten fährt eine Metro in jede Richtung. Allerdings muss man unterirdisch kilometerweit durch Gänge wandern. Sie sind breit angelegt. Es geht viele Meter hinab in die Tiefe. Auf verschiedenen Ebenen fahren die Züge führerlos. Sie sind nur selten voll. Alles läuft stressfrei, ganz anders als in Bangkok.

Auch oberirdisch sehen wir nirgends Staus. Mit dem Rest Asiens hat diese perfekt funktionierende Weltstadt nicht viel zu tun. Das hat seinen Preis. Ausgehen kann ein beachtliches Loch in die Reisekasse reißen. Es gibt jedoch auch genügend Möglichkeiten, sich günstig zu ernähren. In den vielen Foodcentern sind die angebotenen Speisen lecker und bezahlbar. Nur Alkohol ist überall teuer. Das hält uns nicht ab, wenigstens zur Happy Hour ein eiskaltes Bierchen zu genießen.

Mit unserer Metro-Card dürfen wir auch Busse benutzen. Das macht mehr Spaß und gleicht einer Stadtrundfahrt.

Katong

Katong ist ein ganz anderes Stadtviertel, als Little India und Chinatown. Hier lebten und leben noch immer Peranakan. Diese ethnische Gruppe bildete sich aus chinesischen, männlichen Einwanderern und muslimischen Malaiinnen. Es entstand eine einzigartige Kultur. Baba Malay ist die eigene Sprache der Peranakan. Diese Volksgruppe ist bekannt dafür, sich alles anzueignen, was ihr an anderen Kulturen gefällt.

Zum Beispiel Fliesen aus England. An vielen ihrer typischen Shophäuser kann man Kacheln bewundern, die bis zur Höhe der Simse der Parterrefenster angebracht sind. Bunte Blumen und Vögel sind beliebte Motive. Sie zieren traditionelle Kleidungsstücke der Peranakanfrauen. Die Stewardessen der Singapore Airlines tragen Uniformen, dessen Muster inspiriert ist durch Peranakan Ornamente.

 Uns gefallen die in Pastellfarben gestrichenen Häuser mit Frangipanibäumen in den Vorgärten. Hier gibt es keine Hochglanzpaläste oder Wolkenkratzer. Nette Cafés und kleine Restaurants laden zum Verweilen ein.

Am letzten Tag spazieren wir ein paar Kilometer über die Orchard Road. Früher fand ich die Gegend spannend. Ich war noch nicht so übersättigt vom Anblick der unzähligen Artikel in den Shoppingtempeln. Wer soll das Zeug nur alles kaufen?

Die kleine unscheinbare, italienische Trattoria gegenüber unseres Hotels lässt keine Wünsche offen. Wir speisen vorzüglich und sind mit uns, der Welt und Singapur zufrieden. Morgen geht die Reise weiter nach Malacca in Malaysia.