5. Matala

Es zieht uns immer wieder nach Matala. Wir sind der Hippie-Kultur auf der Spur und lesen Kuchen-Uwes Autobiographie in Rekordzeit. Ich frage Friedrich zum hundersten Mal, warum er Anfang der siebziger Jahre nach Skandinavien trampte und nicht den Langhaarigen nach Matala folgte. Er hatte nie von dem Fixstern aller Hippies, dem Stop-over auf dem Pfad Richtung Indien und Nepal über die Türkei, Iran, Afghanistan, Goa bis Kathmandu gehört. Leider.

Seit 2011 findet das Matala Reunion Festival statt. Der Bremer Autor Arn Strohmeyer hatte die Idee mit ehemaligen Höhlenbewohnern seine Buchpräsentation "Mythos Matala" vor Ort am Strand zu feiern. Dank Internet verbreitete sich die Nachricht eines Wiedersehenfestes wie ein Lauffeuer. Die einheimischen Griechen erkannten das Marketingpotential. Ein Open-Air Festival mit internationalem Flair würde der Region finanziell gut tun. Eventmanager wurden engagiert, Street Art etabliert und der graue Asphalt mit bunten Flower-Power Illustrationen geschmückt.

40000 Leute aus Nah und Fern reisen an. Nicht nur Ex-Höhlenbewohner fallen sich beim Wiedersehen in die Arme. Junge Leute aus den großen Städten auf Kreta, Familien aus den Bergdörfern und der Messara-Ebene lassen sich das Festival nicht entgehen. Es wird abgerockt, gechillt, gebadet, viel gegessen und getrunken. Drogen sind tabu. Die "Heimkehrer" dürfen nochmal in ihre Höhlen. Sie suchen ihre ehemaligen Wohnstätten auf, fahnden nach Resten der Bemalung oder der in Stein gehauenen Sitzbänke. Nostalgische Gefühle übermannen die internationale Community. In den siebziger Jahren spielten Drogen eine immer größere Rolle und die Hippies wurden aus ihrem Paradies vertrieben. Nur wenige sind hier hängengeblieben. 

 Matala hat die Blumenkinder verändert, ihre Sicht auf die Welt und durch das friedliche Beieinander vieler Nationen ihr weiteres Leben geprägt. Unvergessen die Toleranz und großherzige Gastfreundschaft der Kreter. Letzteres erfahren wir jeden Tag.

Am nächsten Wochenende findet das Matala Festival nach 3 Jahren Corona Pause wieder statt. Man rechnet mit 60000 Besuchern. Wir werden wohl in unserem ruhigen Bergdorf bleiben. Hier geht es zwar nicht so international zu, was zugegebener Weise einen großen Reiz auf uns ausüben würde, aber wir treffen angenehme Menschen, mit denen wir die Abende verbringen.

 

Tagsüber treiben wir uns bei Kostas in Sivas rum, essen fantastisch gegrillte Dorade in Kalamaki, besuchen ein Nonnenkloster, sitzen stundenlang im Kafenion in Mires und beobachten die Marktszenerie, verfahren uns in den Olivenhainen in der Messaraebene (auf google maps ist nicht immer Verlass). Wir treffen die Künstlerin wieder, schauen uns Ausgrabungen an und wundern uns über die Gelassenheit der deutschen Wiederholungsurlauber, als der Wirt der Pizzeria das volle Lokal ewig auf die Speisekarte warten lässt. Er versorgt sich selbst mit Getränken, telefoniert, quatscht mit dem Hilfskellner. Schließlich begrüßt er alle Gäste. Siga Siga...langsam, langsam. Nichts für Friedrichs Nerven.

Als zwei junge Männer bei Kostas mit Englisch nicht weiterkommen, bieten wir uns an zu übersetzen. Kostas spricht nur griechisch und italienisch. Die Männer kommen aus Chicago und besuchen eine Freundin, die in Pitsidia wohnt. Sie hatte ihnen Kostas Kafenion empfohlen. Wir staunen über die Naivität der Männer. Sie kennen weder griechischen Kaffee noch Frappé, noch wissen sie, dass man in Europa kleine Rechnungen bar begleicht. Dabei wirken sie durchaus gebildet. Der eine bestellt zur Sicherheit Coca Cola, der andere lässt sich auf unsere Empfehlung einen Frappé bringen. Kostas wirkt gleichzeitig unglücklich und missmutig, weil er nicht mit den Typen kommunizieren kann. 

Nach kurzer Zeit wollen die Jungs bezahlen. Die Rechnung beläuft sich auf sage und schreibe 3 Euro. Sie zücken nach amerikanischer Art die Kreditkarte. Kostas lehnt übellaunig ab. Bei ihm kann man nur bar bezahlen. Die Amerikaner sind vollkommen erstaunt und peinlich berührt. Sie haben keinen Cent Bargeld einstecken. Eine Bank oder ATM Automat gibt es nicht im Ort. Sie fragen uns, wie die Leute hier so leben können. 

Wir erklären ihnen die griechischen Gepflogenheiten und bieten an, ihre Rechnung zu übernehmen. Das lehnen sie strikt ab, telefonieren mit der Freundin, die mit dem Auto angerauscht kommt und die beiden mit Cash versorgt. Am Ende lachen wir alle und Kostas entschuldigt sich bei uns für sein unwirsches Verhalten den beiden unbedarften US- Bürgern gegenüber. Er schenkt uns Salbeiblätter aus seinem Garten und empfiehlt, sie als Tee aufzubrühen.

Am Dienstag wollen wir einen großen Ausflug ggf mit Übernachtung Richtung Osten machen. Heute abend nicht versacken heißt die Devise. 

Aus den guten Vorsätzen wird nix. Bei Manolis treffen wir kurz bevor wir vernünftigerweise gehen wollten auf ein nettes Paar vom Bodensee. Der Abend wird lang und zuhause weht kein Wind auf der Terrasse. Das muss man ausnutzen. Die Stimmung ist wunderschön und wir verquatschen uns. Zum Glück haben wir uns nach 33 Jahren immer noch viel zu erzählen. Es wird spät, der Ausflug muss verschoben werden...wir müssen erstmal ausschlafen.

 

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