1. Die ersten Tage auf der Insel

Trotz vieler Widerstände haben wir es gepackt. Wir sind wieder unterwegs. 5 Wochen Kreta liegen vor uns. Friedrich hat genug Mut gefasst, um die Reise trotz seiner Beschwerden aufgrund des Beckenbruchs anzutreten.

 

Mittwoch, 11 Uhr wuchte ich unsere Koffer die Treppe runter, verstaue alles einschließlich der Krücken im Auto und die Reise kann beginnen. Am Flughafen Hahn läuft alles wie am Schnürchen. Das Auto wird wenige Kilometer entfernt geparkt, der Parkplatzeigentümer bringt uns zum Terminal, wir checken ein und Friedrich wird mit dem Rollstuhl zum Flieger befördert. Ich darf als Begleitperson im Sonderfahrzeug mitfahren. In der zweiten Reihe rechts gibt es jede Menge Platz für die Beine. Der Flug verläuft ruhig und mit 15 Minuten Verspätung landen wir um 20:40 Ortszeit in Chania.

 

Wir fahren mit dem normalen Bus zum Terminal. Friedrich kann die Wege ohne Unterstützung des Flughafenpersonals bewältigen. Ich schnappe mir die Koffer und wir bewegen uns zum Ausgang. Ein kurzes Telefonat später holt uns eine freundliche Dame mit unserem gemieteten Auto ab, bringt uns in die Vermietstation, wo die Formalitäten erledigt werden. Wenig später bewegen wir uns über schlecht beleuchtete, schmale Wege Richtung Hotel. Wir haben bewusst ein Hotel in der Nähe des Flughafens gebucht, damit wir nicht durch die Stadt irren müssen.

 

Lena Beach Hotel liegt direkt am Meer. Dank Google maps finden wir es auf Anhieb. Bis jetzt lief alles erstaunlich reibungslos. Doch nun erwartet uns die erste Herausforderung. Der große Koffer liegt im Kofferraum, der kleinere und die Handgepäck-Rucksäcke auf der Rückbank des nagelneuen VW-Polos.

Wir kennen uns mit neuen Fahrzeugen, egal welcher Marke nicht mehr aus, weil wir uns immer noch nicht von unserem uralten Benz trennen können. Ich ziehe den mittelgroßen Koffer vom Rücksitz. Die Rucksäcke sind auch ausgeladen. Nun ist der große dran. Wie geht der Kofferraum auf? Wir vermuten die Öffnungsautomatik am Cockpit, finden jedoch nichts. Die Bedienungsanleitung des Fahrzeugs liegt nur in griechischer Sprache vor. Trotz kühler Temperaturen steht mir der Schweiß auf der Stirn. Friedrich flucht wie ein Rohrspatz. Es ist inzwischen 22 Uhr vorbei und wir wollten noch gemütlich was essen im Hotelrestaurant. Ein Paar spaziert Richtung Hoteleingang. Friedrich spricht sie auf Englisch an, ob sie uns helfen könnten. Schnell stellt sich heraus, dass die netten Leute aus Bayern sind. Leider kennen sie sich auch mit modernen Autos nicht aus. Wir suchen gemeinsam nach einer Möglichkeit den Kofferraum zu öffnen. Keine Chance. Irgendwann komme ich auf die Idee, vom Rücksitz aus die Kofferraumabdeckung hochzuheben und den Koffer aus dem Kofferraum auf die Rückbank zu zerren. Der Bayer bietet mir Hilfe an, aber ich schaffe es allein. Dafür lasse ich mir beim Koffertragen von ihm helfen. Jetzt schnell einchecken.

Wir bedanken uns für die Hilfe des freundlichen Paares. Die Dame an der Rezeption empfiehlt uns, sofort in das noch geöffnete Restaurant einzukehren, denn sie schließen um 22:30. Gesagt, getan. Das erste Bier zischen wir in Rekordzeit. Das Essen ist nicht so berühmt. Gyros und Oktopus sind gleichermaßen hart, fast ungenießbar. Egal, wir nehmen uns noch ein Bier mit aufs Zimmer, lassen uns auf dem Balkon nieder und genießen die Aussicht auf das dunkelblau schimmernde Meer. Angekommen auf Kreta!

 

So schlecht das Essen am Abend auch war, das Frühstück ist nicht zu toppen. Buffet mit allem, was das Frühstücksherz begehrt. Auf der schönen Terrasse mit wunderbarem Blick auf die Bucht und den Pool lässt es sich bei strahlendem Sonnenschein gut aushalten.

 

Jetzt wollen wir doch nochmal nach unserem Auto schauen. Wenn wir es nicht selbst schaffen, den Kofferraum zu öffnen, müssen wir zur Autovermietung zurückfahren und es uns erklären lassen. Diese Peinlichkeit wird uns erspart. Friedrich öffnet die Zentralverriegelung mit dem Autoschlüssel. Ich befühle das VW-Emblem an der Heckklappe und oh Wunder, es klappt unten heraus, ich kann darunter fassen und der Kofferraum öffnet sich. Kurze Zeit später treffen wir das bayrische Paar wieder. Wir lachen gemeinsam über unsere Unkenntnis.

 

Dem ersten Ausflug steht nichts mehr entgegen. Wir schauen uns den Fährhafen von Chania an, der im Ort Souda liegt. Von dort aus geht es durch verschiedene Bergdörfer in die Hügelwelt unterhalb der Weißen Berge. Die Region heißt Apokoronas, wunderschöne grüne Landschaft begleitet uns links und rechts des Weges. Platanen, Pinien, Palmen, Bougainvillea wohin das Auge blickt. In Georgioupoli machen wir Rast. Eukalyptusbäume säumen die Platia, ein langer Sandstrand befriedigt die sonnenhungrigen Badegäste. Ich hatte das Port Café am stimmungsvollen Flusshafen ins Auge gefasst, weil es hier Parkplätze gibt und Friedrich nicht weit laufen muss. Wir genehmigen uns einen griechischen Salat und genießen die entspannte Atmosphäre am Fischerhafen.

 

Auf dem Rückweg wollen wir im Bergdorf Stilos im traditionellen Kafenion einkehren, dass uns aufgefallen war. Zwischen den freundlichen Dorfbewohnern zu sitzen, mit ihnen einen Kaffee zu trinken und vielleicht sogar ein Gespräch zu führen, ist eine unserer Lieblingsbeschäftigungen in Griechenland.

Leider ist das Kafenion um 17 Uhr verwaist. Wir kehren in unser Hotel zurück und bereiten uns für den Abend vor. Wenige Kilometer vom Lena Beach Hotel entfernt wurde uns das Restaurant Irene empfohlen. Dort genießen wir viel zu große Portionen Pastitsio, gebratenes Huhn, eine Vorspeisenplatte mit griechischen Mezes und Wein. Am Ende wird ein kleines Dessert und ein Fläschchen Raki auf Kosten des Hauses gereicht. Raki ist auf Kreta kein Anis, sondern Tresterschnaps, wesentlich milder als Grappa. Lecker!

 

Zufrieden trollen wir uns den Berg hinab, diesmal fahre ich und wir verbringen den Rest des Abends auf dem Balkon.

 

 

Entlang wunderschöner Berglandschaften fahren wir unserem Ziel für die nächsten Wochen entgegen. Ich habe ein Dorf in der Nähe von Matala, dem ehemaligen berühmten Hippie-El Dorado, ausgesucht.

 

Die Fahrt von Chania nach Kamilari dauert 2,5 Stunden. Während der Fahrt kommuniziere ich mit unserem Vermieter, der in Athen lebt. Seine Mutter wird uns empfangen. Wir dürfen frühzeitig einchecken. Das Dorf zeichnet sich wie so viele Bergdörfer auf Kreta durch sehr enge Gassen aus. Die Parksituation ist schwierig. Ausgerechnet gleichzeitig mit unserer Ankunft wollen Handwerker zur selben Adresse. Friedrich muss mit dem Auto rangieren und immer aufpassen, dass er nicht auf den steilen Steingassen aufsetzt. Die Handwerker sind nicht besonders erfreut, dass sie uns Platz machen müssen. Irgendwann haben wir es geschafft. Das Gepäck ist ausgeladen und die Wohnung bezogen.

 

Alles passt. Wohnzimmer, offene Küche, 2 Schlafzimmer mit Einbauschränken, Bad mit geräumiger Dusche und vor allem die große Dachterrasse mit wunderschöner Aussicht auf das 2km entfernt liegende Meer. Die Mutter des Vermieters ist super freundlich und hat uns einen großen Obstteller, Wein, Raki und Wasser im Kühlschrank bereitgestellt. Am nächsten Tag bringt sie noch eine Schüssel mit Kuchen und Gebäck. Wir werden verwöhnt.

 

Die Handwerker richten für die Leute im Erdgeschoss einen Rollrasen her. Nach 2 Stunden ist es wieder ruhig. Unter uns hat der Bruder von Manolis(Vermieter) eine Ferienwohnung für sich und seine Familie eingerichtet. Sie sind scheinbar nur am Wochenende da. Die Mutter wohnt im 7km entfernt liegenden Ort Timbaki. Abends geht es in die nah gelegene Taverne Akropolis. Das Lokal ist beliebt, die Terrasse füllt sich schnell. Hier darf man wie früher in der Küche in die Töpfe schauen. Typisch griechisch. Die Portionen sind gigantisch. Wir müssen was verändern. Entweder keine Vorspeisen oder nur ein Hauptgericht. Zum Schluss gibt es wieder Raki und Dessert. Das scheint inzwischen üblich zu sein.

Bei Markos, dem Kafenion in Kamilari gibt es zum Wein oder Bier wieder einen Teller Mezes. Wir sind doch schon so satt. Hier lernen wir Kim und Leonie kennen, die uns schon im Supermarkt in Timbaki aufgefallen waren, wo wir für das Frühstück eingekauft hatten.

Sie sind beide Flugbegleiterinnen bei Condor. Gespannt lauschen sie meinen Erzählungen von der Fliegerei in den 80ger und 90ger Jahren. Ich wiederum höre mir interessiert an, wie es heute so zu geht im Fliegerbusiness. Am späten Abend machen wir uns auf den Heimweg. Die Bar neben der Akropolis Taverne hat noch auf. Ach komm, einen Cocktail zum Abschluss des ersten Abends darf es noch sein. Wir nehmen vor dem Lokal Platz und nippen genüsslich an unserer Caipirinha. Als es zu regnen beginnt, begeben wir uns ins Innere des Lokals. Ich übersehe eine unscheinbare, kleine Stufe.  Mein rechter Fuß kippt nach außen und ein stechender, sehr starker Schmerz durchfährt mich. Das Personal ist sehr bemüht und bringt gleich Eis zum kühlen. Wie ich es unter schneidenden Schmerzen die 100m nach Haus geschafft habe, weiß ich nicht mehr. Friedrich weiß nicht, wie er mich stützen soll, denn er läuft ja an Krücken. Schließlich gelingt es ihm mich heim zu bringen.

Mein Fuß schmerzt und sieht schlimm aus. Dick, blau, ich kann kaum auftreten. Müssen wir jetzt alles aufgeben und wieder in die Heimat fliegen? Mein Kopfkissen ist nass von Tränen.  Ich bin verzweifelt.

 

Ruhen hilft. 2 Tage lang bewegen wir uns nicht aus dem Haus.

 

Kleine Lebensmitteleinkäufe werden erledigt. Der nächstgelegene Strandort Kalamaki enttäuscht uns. Mittags ist wenig los. Alles wirkt ein wenig ausgestorben. Es weht ein kalter Wind. Abends essen wir Lamm und Gulasch in einem netten Restaurant in unserem Dorf. Ein Absacker darf es noch sein in der Blue Bar. Die Stimmung wird wieder besser. Ich bin nicht sicher, ob ich einen Bänderriss, Mittelfußbruch oder nur eine Verstauung habe. Der Fuß sieht immer noch nicht gut aus. Nachmittags kehren wir im Nachbarort Sivas bei Jorgos und Anna ein.  Friedrich gönnt sich ein Stück Kuchen. 2 Brüder aus Münster gesellen sich dazu. Sie kommen schon seit vielen Jahren in den Ort und geben uns alle möglichen Tipps und Empfehlungen. Abends in Kamilari in der Blues Bar lernen wir ein Paar aus Berlin kennen. Monika und Richard sind nette Leute und kennen sich in der ganzen Umgebung gut aus. Wieder erhalten wir jede Menge Empfehlungen. Am nächsten Abend wollen sie uns mitnehmen in ein griechisch-marokkanisches Restaurant in Pitsidia.

 

Wir verabschieden uns ohne direkte Zusage. Friedrich und ich wollen noch bei Markos vorbeischauen, wo wir am ersten Abend die Flugbegleiterinnen kennengelernt hatten. Markos setzt sich zu uns und es wird ein langer Abend.

Ein schöner Ausflug führt uns an Timbaki vorbei nach Kokkinos Pirgos, ein kleines verschlafenes Nest mit ein paar Tavernen am Strand. Von hier ist es nicht mehr so weit nach Agia Galini. Dieser Ort im Süden Kretas ist recht bekannt. Das Städtchen schmiegt sich an die steilen Felsen. Im Hintergrund türmen sich die mächtigen Berge des Psiloritis Gebirges auf. Es gibt hier keine Bettenburgen, sondern nur kleinere Hotels, Pensionen und Appartments. Wir lassen uns in einem der Hafencafeterias nieder. Freundlich und zuvorkommend werden wir bedient, obwohl wir nur Wasser, Frappe und einen Tsaziki bestellen.

 

Abends holen Monika und Richard uns mit dem Auto ab, weil die 400m steil abfallende Straße, die uns in das Restaurant Kelari führt für Friedrich mit Krücken nur schwer zu bewältigen ist.

 

Tolles Ambiente, sehr gutes Essen, leckerer Wein und nette Gespräche, was will man mehr. Ein letzter Drink muss sein

Es geht es wieder in die Blues Bar. Für den nächsten Abend verabreden wir uns wieder. Das ist leider schon der letzte für die Berliner. Bis spät abends sitzen Friedrich und ich vor unserem Panoramafenster und beobachten die über das Meer zischenden Blitze.

Leider hat sich das Wetter nochmal verschlechtert. Es regnet den ganzen Tag, was das Zeug hält. Habe ich in Griechenland noch nie erlebt. Die Welt scheint unter zu gehen. Am späten Nachmittag lässt sich endlich die Sonne wieder blicken. Richard kutschiert uns nach Kalamaki, dem 2km entfernten Strandort. Dort werden wir in ein ganz in weiß gestaltetes Fischrestaurant geführt.

 

Der Oktopus und die marinierten Sardellen schmecken hervorragend. Friedrich ist mit seinem Hähnchenfilet in Zitronenweißweinsauce auch sehr zufrieden.

Am späten Abend heißt es Abschied nehmen. Schade, dass Monika und Richard schon gehen müssen. Es war sehr nett mit ihnen. Sie sind sympathische und vor allem sehr offene Menschen. Vielleicht trifft man sich mal wieder.

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