Die quirlige Altstadt hat uns wieder

Pechsträhne

 

Wir haben es geschafft unsere Pechsträhne zu durchbrechen. Es gehörte schön viel Optimismus dazu, daran zu glauben, dass wir es in diesem Jahr packen, endlich wieder nach Südostasien zu reisen. Viele Hürden mussten überwunden werden:

Anfang September buchten wir einen Flug in der Business Class nach Hanoi. Die Fluggesellschaft Bamboo Airways ist uns nicht bekannt, die Bewertungen im Netz jedoch ganz passabel. Normalerweise gönnen wir uns nicht den Luxus in der Geschäftsreiseklasse unterwegs zu sein. Der besondere Umstand, dass Friedrich nach seinem Beckenbruch immer noch Schmerzen in der Sitzposition hat, veranlasste uns, das Geld für bequemere Plätze auszugeben.

Anfang Oktober hieß es dann zunächst mal einen Besuch beim Kardiologen zu absolvieren. Schlechte Nachricht: Der dauerhaft hohe Puls kann nicht so bleiben. Durch seine Nichte, die Oberärztin im Klinikum Ludwigshafen, kam Friedrich zu dem Privileg, sich kurzfristig einer Kardioversion unterziehen zu können. Der Sinusrhythmus des Herzens wurde wiederhergestellt, Puls normalisiert, wir können also los.

Schock in der Morgenstunde des 21. Oktobers. Bamboo Airways storniert alle internationalen Flüge wegen finanzieller Schwierigkeiten. Unser Geld für die teuren Flüge haben wir bis heute nicht zurückerhalten. Mindestens genauso schlimm, die Tatsache, dass wir nun eventuell keine Visa für Thailand erhalten. Die sind beantragt, man braucht jedoch zwingend einen gültigen Einreisetermin. Schnell neuen Flug gebucht, jetzt doch Holzklasse mit Thai Airways über Bangkok nach Hanoi. Abreise jetzt 14.11.23.

Am 3.11. mache ich den Garten winterfest. Da es nicht kalt ist, fliegen noch Wespen umher. eine hat es auf mich abgesehen und sticht mich in den Arm. Ich mache mir nix draus, reibe den Stich mit Zwiebel ein und arbeite weiter im Garten. Nach 20 Minuten wird meine Lippe dick, die Augen schwellen zu und ich bekomme am ganzen Körper riesige Quaddeln. Es juckt überall, das Gesicht ist knallrot. Wir lassen alles stehen und liegen. Friedrich fährt mich ins Krankenhaus. Dort bekomme ich Kortison und Antihistamin. Nach 3 Stunden ist der Spuk vorüber. Nun muss ich mir Notfallmedikamente besorgen, die ich auf Schritt und Tritt überall dabei haben sollte.

Am 5.11. macht sich eine Erkältung bemerkbar, die sich erst bei Friedrich, dann bei mir zur Bronchitis ausweitet. Wir fühlen uns jeden Tag schlechter und es gibt noch so viel vorzubereiten.

Am 12. 11. beschließen wir den Flug zu stornieren. Wir sind zu krank, um zu fliegen. Diverse Hotelbuchungen müssen ebenfalls abgesagt werden. Depressive Stimmung macht sich breit. Kommen wir überhaupt noch weg? Das Geld für den Flug bekommen wir nur teilweise zurück. Die Rücktrittsversicherung greift nicht, weil Bronchitis nicht als schwere Krankheit gilt. Egal, zuhause sind wir jetzt am besten aufgehoben. Wir wollen ja nicht mit Lungenentzündung aus dem Flieger steigen.

Abflug

Wir buchen ein Ticket bei Vietnam Airlines in der Premium Economy für den 23.11. Hoffnung keimt auf, dass es diesmal gelingt fort zu kommen. Da der Flug schon am frühen Nachmittag startet, verbringen wir eine Nacht in der Nähe des Frankfurter Flughafens, damit nicht noch in letzter Minute was schiefgeht. Beim Check-in bekommen wir zwar keine 2er Sitze, sondern werden in einer Reihe mit 3 Sitzen platziert. Das bedeutet weniger Privatsphäre, aber was soll's.

Das Blatt wendet sich. Die Premium Economy ist nicht voll belegt, sodass wir die 3er Reihe für uns haben. Die Sitze sind super bequem, riesiger Sitzabstand, passable Mahlzeit und unglaublich engagierte Crew machen den Flug zu einem der besten, die wir je erlebt haben.

Ankunft

Ankunft in Hanoi in den frühen Morgenstunden. Einreise kein Problem, Taxi wartet vor der Ankunftshalle. Wir können unser Apartment gegen zusätzliche Gebühr schon morgens beziehen, kaufen in einem Laden gegenüber schnell ein paar Getränke ein, zischen ein Ankunftsbier und sinken nach ausgiebiger Dusche glücklich und erleichtert in die Kissen.

Der erste Abend

Am Abend machen wir uns auf den Weg zu dem uns bekannten indischen Lokal. Friedrich kommt ja mit der lokalen Küche in Südostasien nicht gut zurecht, da er gegen Geschmacksverstärker, die überall reichlich ins Essen gehauen werden, allergisch ist. Die indische Küche ist frei davon. Nach schmackhaften Chicken Vindaloo, Dal aus Linsen und Kichererbsen sowie Garlic Naan brechen wir auf zu der Bia Hoi Station, ( frisches, leichtes Bier, dass am selben Tag gebraut wurde und nur 3% Alkohol hat)wo wir vor 4 Jahren jede Menge netter Leute aus vielen verschiedenen Ländern kennengelernt hatten. Friedrich macht schlapp. Er schafft es nicht, nochmal 600m zu laufen. Zum Glück gibt es Fahrradrikschas. Für einen viel zu hohen Preis lassen wir uns chauffieren. Uns tut noch nicht einmal der Fahrer leid, dass er sich mit uns Schwergewichten abstrampeln muss, denn er wird fürstlich bezahlt, weil wir keine Lust und zu müde zum Handeln sind. 

Enttäuscht stellen wir fest, dass die Familie, die den Stand betreibt, zwar vor ihrer Haustür sitzt, aber keine Stühle parat stehen und kein Bier ausgeschenkt wird. Nebenan gibt es das begehrte Getränk, aber es ist kaum was los und die Atmosphäre unterkühlt. Wie schade. Heute am Wochenende sind mehrere Straßen für den Nachtmarkt gesperrt. Es ist die Hölle in der von hier 200m entfernten Bierstraße los, wo dicht gedrängt hunderte Leute essen und trinken. Das ist uns heute zu viel. Wir wackeln langsam heimwärts, Friedrich bewegt sich tapfer mit den Nordic Walking Stöcken durch den chaotischen Straßenverkehr. Wie schon erwartet, nehmen die Mopedfahrer etwas mehr Rücksicht, wenn sie Leute am Stock gehen sehen. Wir haben das Überqueren der Straßen, was einer Mutprobe gleicht, noch nicht verlernt. Bloß nicht mitten auf der Straße stehenbleiben. Die Mopedfahrer schwärmen um die Fußgänger herum und können sie nur einschätzen, wenn sie langsam aber stetig vorwärts laufen. 

Eine kleine Kneipe kurz vor unserem Apartmenthaus lädt zu einem Absacker ein. Zuhause angekommen, beobachten wir von unserem Minibalkon die Szenerie auf der Straße unter uns. Hektik, Hupen, Straßenlärm ohne Ende. Hanoi, so wie wir es kennen. Zufrieden schließen wir die doppelte Balkontür, in die kleine Wohnung im fünften Stock dringt kaum ein Laut.

Schlafen können wir trotzdem nicht wegen Jetlag. Das wird sich geben.

 

Jet lag

Am Samstag kommen wir nicht aus dem Bett. Jet lag. Erst am frühen Nachmittag verlassen wir das Zimmer, um Sim Karten zu besorgen, damit wir uns per googlemaps in der Stadt orientieren können. Im Gewirr der Altstadt verläuft man sich leicht. Obwohl wir aus den zurückliegenden Jahren noch vieles in Erinnerung haben, ist es sicherer für den Fußlahmen, wenn wir keine ungewollten Umwege machen müssen.

Das Frühstück, bestehend aus Banh Mi (erwärmtes Baguettebrötchen mit gebratenem Hühnerfleisch, Salat, Zwiebeln, Chilisoße) macht so satt, dass wir noch nicht einmal abends richtig hungrig sind. Eine andere Bia Hoi Kneipe, die wir auch von früher kennen, ist das heutige Ziel. Hier sitzen nur Einheimische. Auf der Karte wird gebrutzeltes Kalbsfleich angepriesen. Wir bestellen und sind gespannt. Ein vielversprechender, zischender, köstlich duftender Teller mit Fleisch wird uns serviert. Leider stellt sich heraus, dass es sich nur um Knorpelstücke handelt. Die Vietnamesen essen sowas als Snack zum Bier. Wie gut, dass wir nicht so hungrig sind. Zuhause machen wir uns über unsere Notration Kekse her.

Friedrich schläft schlecht. Ich dagegen wache nicht eineinziges Mal nachts auf. Zuhause mache ich jede zweite Nacht zum Tag. Kaum in Asien, schlafe ich wie ein Baby.

Am See

Auch der Sonntag vergeht ohne große Aktivität. Wir hängen müde am See rum. Ein vietnamesischer Vater mit seinen Söhnen spricht uns an. Die Kinder erproben ihr Englisch, in dem sie uns ein paar Fragen stellen. Wo wir herkommen und wie uns Vietnam gefällt, ein Sonntagsvergnügen der Einheimischen mit Kindern. Wir beantworten wahrheitsgemäß alle Fragen, die Kindern winken uns fröhlich nach, als wir uns verabschieden. Abends geht es zu einem anderen Inder. Zum Glück schmeckt uns beiden die indische Küche hervorragend.

Inzwischen packt Friedrich die Strecke zum See, ca. 800 Meter mit nur einer Pause in einem Cafe. Komisch, wenn es zum Bia Hoi geht, mault er nicht rum, dass ich zu schnell laufe und er nicht nach kommt. Wir hocken stundenlang am Straßenrand und beobachten die Einheimischen. Zwei Frauen geraten derart in Streit, dass Passanten stehenbleiben. Sie drohen sich mit Fäusten und schreien sich die Seele aus dem Leib. Einheimische Männer kichern und sind froh nicht Gegenstand der Auseinandersetzung zu sein. Heute gehen wir früh schlafen. Morgen ist das erste Mal Sightseeing angesagt. Wir wollen eine Tour mit einem Hop on-hop off Bus machen, damit Friedrich nicht so viel laufen muss.

 

 

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