7. Die letzte Woche auf Kreta

Wir hatten bei Kostas bereits in dem Buch von Heinz Peter Wagner "Kretische Einsichten" über Fallstricke beim Häuserkauf gelesen.

Das Paar, welches wir bei Kostas kennenlernten, setzte noch einen drauf und berichtete über fehlende Baugenehmigungen alter Häuser, Erbengemeinschaften, die aus dem Nichts auftauchen und das teuer erstandene Haus als ihr Eigentum reklamieren. Ein flächendeckendes Kataster-Grundbuch existiert nur in wenigen Gemeinden. Oft muss der Pastor der Gemeinde mit Hilfe der Kirchenbücher die Eigentumsverhältnisse klären.

Die beiden Auswanderer scheinen sich auszukennen. Sie sind wohl vom Fach, entweder Architekten oder Bauingenieure. Sie erzählen von einem besonders krassen Fall. Ein ganzes Dorf hielt zusammen, um einem Deutschen 800.000 Euro abzunehmen. Man verschwieg ihm, dass sein Haus außerhalb des zulässigen Bebauungsplans lag und auf Grundstücken, die kleiner als 4000qm groß sind, nicht gebaut werden darf. Der Mann mußte sein Anwesen wieder abreißen lassen. Das Geld war weg.

Wir wünschen den beiden Glück. Sie sind noch nicht sicher, ob bei ihnen alles klappen wird. Wir sind froh kein Eigentum mehr im Ausland zu besitzen. Uns hätte man mit unserem Hauskauf in Italien komplett übers Ohr hauen können. Obwohl es gutgeangen ist, würden wir uns nicht wieder so naiv und gutgläubig auf Unbekannte einlassen.

Später verbringen wir einen netten Abend mit dem Frauenpaar aus Bergisch-Gladbach. Sie wohnen in einem hostelartigen Gästehaus, zahlen nur 20 Euro, teilen sich dafür Küche und Bad mit anderen Gästen. Einer ihrer Mitbewohner, Christian, kommt vorbei. Erst gegen Mitternacht zieht es uns nach Hause.

Freitag treffen wir die Leute vom Bodensee wieder. Schade, dass die zwei nicht in unserer Nähe wohnen. Wir haben ähnliche Interessen, verstehen uns sehr gut und müssen sie leider verabschieden, weil sie am nächsten Tag heimfliegen.

Plötzlich haben wir das Gefühl die Zeit würde rasen. Deswegen geht es am Sonntag nochmal in die Weinregion. Leider können wir keine Weinprobe machen, da ja einer fahren muss. Außerdem öffnen die meisten Weingüter nur für größere Gruppen ihre Türen. Dennoch wollen wir die Landschaft bei Archanes genauer kennenlernen.

Die Gegend, nur 15 Kilometer südlich von Heraklion, verzaubert uns. Die rauhen Berge der Psiloritis Gipfel fallen zum Meer hin ab in sanfte Hügel, die sich wie Zungen durch die Region ziehen. Wir fühlen uns an Italien erinnert. Eine Mischung aus Toskana und Piemont. Trotz vieler Weingärten dominiert auch hier der Olivenanbau. Zypressen und mächtige in allen Farben blühende Oleanderbüsche wachsen am Straßenrand. Leider lässt uns google maps wieder im Stich. Ich jage Friedrich durch engbebaute Dörfer auf dem Kamm der Hügel. Stundenlang düsen wir durch die herrliche Natur.

Archanes ist unser Hauptziel. Die Häuser des großen Dorfes sind im neoklassizistischen Stil erbaut. Der Charme dieses Bergdorfes erschließt sich uns sofort. Auf der großen von uralten Platanen bewachsenen Platia befinden sich mehrere Cafés und Tavernen. Hier werden wir Mittagspause machen. Man tischt uns Leber, Zicklein und Lammpasta auf. Ich schaue mir anschließend das Dorf genauer an. Wunderschöne, kleine Nischen mit Brunnen, bemalte Häuser, schmiedeeiserne Balkone, weinumrankte Pergolen, Tavernen und Kunsthandwerkgeschäfte laden zum Verweilen ein und locken Besucher durch die Austellung von Schwarzweißfotos aus vergangenen Tagen oder aus alten Filmen. Die Gemeinde lebt von Weinanbau und exportiert Rosinen.

Hier werden wir mal ein paar Tage übernachten, wenn wir Kreta erneut besuchen.

Weiter führt uns der Weg nach Myrtia. Hier wurde der berühmte Schriftsteller und Intellektuelle Nikos Kazantzakis geboren. Ein großer Dichter, Philosoph und Reisender, dem man ein Museum gewidmet hat. Es zeigt persönliche Gegenstände, viele Ausgaben seiner Bücher und Schriften.

Ein 20 minütiger Film beschreibt das Leben des unvergessenen Kreters. Ich habe vor bereits über 30 Jahren 5 seiner Bücher verschlungen. Derzeit war ich bis über beide Ohren in einen Kreter verliebt und wollte mich der kretischen Seele auf diesem Weg nähern. Viele seiner Bücher wurden verfilmt. Der wohl bekannteste "Alexis Zorbas" wurde 1964 mit Anthony Quinn in der Hauptrolle gedreht. Das hat Kazantzakis nicht mehr erlebt. Er starb 1957 mit 74 Jahren. Eines seiner bekanntesten Zitate lautet:

"Ich hoffe nichts, ich fürchte nichts, ich bin frei."

 

 

Am späten Nachmittag geht es über die Autobahn zurück in die Messara Ebene, die sich nach nur einstündiger Fahrt wie ein grüner Teppich vor uns ausbreitet.

Abends lernen wir kurz unseren Vermieter kennen, der aus Athen mit seiner Familie für nur 2 Tage angereist ist. Heute fand die erneute Wahl in Griechenland statt. Da scheut man keine Wege, sondern begibt sich in seinen Wahlkreis, um aktiv teilzunehmen. Die junge Familie ist überaus sympathisch.

Wir sind noch gar nicht in Abreisestimmung, aber der Mittwoch rückt unaufhaltsam näher.

Am letzten Tag drehen wir eine Runde. Vormittags ist Kostas dran. Als wir ihm 2 Melonen schenken, die wir nicht mehr essen und ja auch nicht mitnehmen können, läuft er immer wieder in seinen Garten, der hinter dem Kafenion liegt und bringt viele Tütchen getrockneter Kräuter. Er hat uns mit unzähligen seiner aromatisch duftenden Küchengewächse und Tees beschenkt. Der Abschied ist sehr herzlich.

Heute abend geht es ein letztes Mal zu Manolis in die Blues Bar und zu Markos ins Dorfkafenion. Morgen mittag reisen wir Richtung Chania ab und müssen uns bis abends irgendwie die Zeit vertreiben. Der Flug geht erst um 21 Uhr.

Mythos Kreta

Die Kreter nennen ihr Eiland treffend den sechsten Kontinent. Es ist eine Welt für sich, diese größte griechische Insel. Zwischen den Erdteilen Europa und Afrika liegt dieser einzigartige Kosmos, der die Wiege unserer Kultur darstellt. Viele Menschen, die wir getroffen haben, lässt der Zauber, den man spürt, wenn man mehrere Wochen auf Kreta verbringt, nicht mehr los. Wie Süchtige kommen sie immer wieder, jahrelang, weil die Anziehungskraft der Insel auf die Besucher wie ein Magnet wirkt.

Die Berge mit ihren kahlen Gipfeln, grüne, bewaldete Hügel, Olivenhäine soweit das Auge reicht, blühende Oleanderbüsche, sprudelnde Quellen, sanfte Bäche, wilde Flüsse, das strahlend blaue oder türkisfarben schimmernde Meer sind es nicht allein, die Kreta zu dem machen, was es ist.

Die reiche Kultur mit den Legenden und Mythen aus der Vergangenheit verbindet das Volk der Kreter zu einer Einheit. Sie sind sich ihrer Herkunft bewußt, sodaß in der Gegenwart auch immer die sagenumwitterte Vergangenheit präsent ist.

Es sind die stolzen Menschen, die sich nicht zähmen lassen, die sich weder durch Fremde einschüchtern noch bezwingen lassen und dennoch stets das letzte Hemd einem unbekannten Gast schenken würden. Wir durften diese Gastfreundschaft geniessen und haben gleichzeitig das impulsive, machohafte Gebaren der männlichen Kreter erleben müssen...im Straßenverkehr. Es ist nicht immer leicht das Wesen der Kreter zu verstehen.

Die Landschaft, Bergdörfer, Klöster, Ausgrabungsstätten, Strände, der Wein und die mediterrane Küche haben Spuren in unseren Herzen hinterlassen. Einige Menschen haben unsere Seele berührt. So wird auch für uns Kreta zum Mythos und wir werden wiederkommen.

"Und gingest Du bis ans Ende der Welt, Du findest keine zweite Insel wie diese"

Nikos Kazantzakis

 

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