Von Warragamba, Katoomba, Sydney bis Sussex Inlet



Wir fahren stundenlang am Hawkesbury River entlang bis Wiseman’s Ferry.

Der Fluss war im 19. Jahrhundert eine der wichtigsten Transportrouten, um Lebensmittel aus der Umgebung nach Sydney zu bringen. Der Hawkesbury River durchquert die wunderschöne Central Coast, die sich zwischen Sydney und Newcastle erstreckt.

Man weiß gar nicht, wohin man zuerst schauen soll. Viele Nationalparks laden zum Wandern ein. Ein Strandort schöner als der andere.

Das Glenworthtal mit umliegendem Ackerland, vielen Reiterhöfen, grünen Wiesen, steilen, bergigen Hängen ist traumhaft schön und nur wenige Kilometer von Sydney entfernt.

Wir befahren ein Stück der Old Great North Road, die zwischen 1825 und 1836 von Sträflingen erbaut wurde. Sie schlängelt sich durch menschenleere und raue Wildnis. Mit der Seilfähre gelangen wir auf die andere Seite des Flusses und später in die historische Stadt Windsor, die drittälteste Siedlung Australiens (1791).

Die Stadt rühmt sich mit denkmalgeschützten Gebäuden, die von Europäern erbaut wurden. Bis heute konnte die Stadt ihren englischen Charme bewahren. Weiter geht es nach Warragamba. Dort gibt es eine schöne Übernachtungsmöglichkeit.

Zwei Tage müssen wir überbrücken, denn schlechtes Wetter ist angesagt. Massenhaft Regen prasselt auf unseren Campervan nieder. Im Internet erfahren wir, dass in Sydney Chaos herrscht. Wir halten durch und ziehen nachts die lange Unterhose an. Es ist merklich kühler geworden. Als die Sonne sich wieder vorsichtig heraus traut, zieht sie in die Blue Mountains. Diese Gebirgskette wird so genannt, weil die Blätter der Eukalyptusbäume ätherische Öle in die Luft abgeben, die die Berge aus der Ferne blau erscheinen lassen.

In Katoomba, dem Touristenzentrum der Blue Mountains, finden wir einen netten Campingplatz und schauen uns die Stadt an. Ich war vor 30 Jahren schon einmal hier. Die Stadt wirkt heruntergekommen, morbider Charme verbreitet sich. Trotz Tourismus sehen wir einige Leute, die nicht zu den Wohlhabenden zählen. Im schönsten Pub treffen sich abends Künstler und die, die es werden wollen. Tolle Stimmung.

Am nächsten Morgen lacht die Sonne vom Himmel und wir können die Sehenswürdigkeiten der Blue Mountains besichtigen: Wasserfälle, Aussichtsplattformen auf die Three Sisters (Felsen) und andere Felsformationen.

Unsere Reise geht weiter über Lithgow nach Hartley Vale. In Lithgow ärgern uns die Rampen, die zu den Supermarkt-Parkplätzen führen. Wir haben Angst, den Unterboden des Fahrzeugs zu beschädigen.

In Hartley Vale suchen wir uns ein Plätzchen in der Natur und gönnen uns erstmal ein Bier. Dann wird gekocht und Sauvignon Blanc verkostet. Spät am Abend kommen Jugendliche und bauen Zelte auf. Friedrich ist angespannt, denn sie sind betrunken und wir sind die einzigen Camper weit und breit. Man weiß nie, was sich junge Leute in angetrunkenem Zustand einfallen lassen. Ich schlafe tief und fest. Der Wein hat mich so müde gemacht, dass ich von der nächtlichen Party der Jugend nichts mitbekomme.

Prächtig ausgeschlafen jage ich meinen Mann mit unserem schwerfälligen Fahrzeug am nächsten Morgen die Galston Gorge hinunter. Nicht absichtlich, das versteht sich von selbst. Ich hatte nicht aufgepasst und die Verkehrszeichen übersehen. Doch zu viel Wein am gestrigen Abend.

Haarnadelkurven verlangen dem Chauffeur unseres Wohnmobils einiges ab. Adrenalin schießt durch unsere Adern. wir schaffen kaum eine Kurve ohne wieder zurücksetzen zu müssen. Zum Glück sind Autofahrer hinter uns gnädig, nehmen Abstand und warten geduldig, bis wir uns Kurve für Kurve hochmanövriert haben. Nach 7 Kilometern, einer gefühlten Ewigkeit, hat Friedrich das Kunststück vollbracht, unser Gefährt ohne Schäden durch den Canyon zu steuern. Meine Nerven liegen nach der Schluchtdurchquerung blank. Jetzt gibt es noch nicht einmal einen Parkplatz in Brooklyn geschweige denn eine Möglichkeit zu übernachten. Schweren Herzens müssen wir weiterziehen, ohne in einem uns bekannten Restaurant Austern schlürfen zu können. Was ist nur los heute, so viel Pech und Pleiten. Zum Glück keine Panne.

Wir rattern durch Ortschaften, die wir bereits vor 10 Jahren passiert hatten, fahren durch Wohngebiete, finden nichts. Irgendwann sehe ich in Goggle Maps auf dem Satellitenbild einen Parkplatz am Fluss. Sollen wir es versuchen, dort hinab zu fahren? Ja, Friedrich nickt. Hoffentlich nicht schon wieder zu steile oder enge Kurven. Zu unserem eigenen Erstaunen klappt alles wunderbar und wir haben einen wunderschönen Platz am Hawkesbury River gefunden, der in keiner App verzeichnet ist. Am Ende des Tages ist uns das Glück hold.

 

Sydney, wir sind are coming! Allerdings können wir erst um 14 Uhr auf dem Campingplatz einchecken.

Vorher möchte ich unbedingt noch meinen Lieblingsstrand in Palm Beach besuchen. Palm Beach liegt etwa eine Autostunde vom Zentrum entfernt, auf der Spitze einer Halbinsel mit der Meeresbrandung auf der einen und der Ria(schmale , tief in das Land eindringende Meeresbucht) Pittswater auf der anderen Seite. Zahlreiche wohlhabende Australier leben hier oder haben hier ihre Ferienhäuser gebaut. Seit der Fernsehserie Home and Away ist Palm Beach als Schauplatz des fiktiven Dorfes Summer Bay bekannt. Seither strömen Scharen von Menschen hierher.

Vor 29 Jahren, als dieser Strand nur wenigen bekannt war, fuhr ich als Lufthansa Crewmitglied an einem freien Tag vom Zentrum aus alleine mit dem Bus zu diesem grandiosen Ort.  Nachdem ich einige male am pittoresken Strand auf und ab gewandert war, traf ich eine folgenschwere Entscheidung.

Wieder in Deutschland, trennte ich mich von meinem damaligen Lebensgefährten auf der Insel Samos in Griechenland und lernte bald darauf in Portugal einen jungen Mann namens Friedrich Roth kennen......

Vor zehn Jahren zeigte ich Friedrich diesen Ort und wir konnten 2 Tage ungestört mit dem Camper auf dem Parkplatz in der Nähe des Leuchtturms stehen. Unvergessene Stunden. Nun stehen wir wieder hier und stellen fest: Eine Tageskarte für den Parkplatz kostet 40 Dollar. Übernachten strengstens verboten.

Der von uns gebuchte Campingplatz liegt außerhalb der Innenstadt.

Leider wird die nächstgelegene S-Bahn-Station gerade renoviert. Zunächst suchen wir die S-Bahn, die, wie wir nach einiger Zeit feststellen, heute am Sonntag gar nicht fährt. Wo ist die Bushaltestelle? Wir fragen diverse Leute, die uns keine klare Antwort geben können. Sollen wir tatsächlich zu Fuß die Autobahn überqueren? Ich entscheide mich dagegen. Friedrich trottet hinter mir her, 28 Grad, bergauf.

 

Endlich sehen wir die Haltestation und müssen geschlagene 20 Minuten warten. Entspannung kommt auf, als wir endlich im Bus sitzen und noch glauben, dass er ins Zentrum fährt. Weit gefehlt. Bereits nach 7 Minuten hält er im Busterminal des Vorortes Chatswood und es heißt Endstation, alle müssen aussteigen. Wir schauen uns entgeistert an. Eine nette Dame sieht unsere verzweifelten Gesichter. Sie erklärt uns, dass es nun mit der Bahn weitergeht: Straße überqueren, Rolltreppe nehmen, in die richtige Bahn einsteigen. Warum fällt bei uns heute der Groschen nicht? Nach 4 Haltestellen hält der Zug. Eine Stimme aus dem Lautsprecher beruhigt die Reisenden. Wir vertrauen darauf, dass es gleich weitergehen würde, doch nach einer Viertelstunde heißt es: Alle Mann raus.

Wegen Bauarbeiten endet die Fahrt heute hier. Wir stehen in North Sydney und haben keinen Plan. Laufen nach rechts, nach links. Eine Frau, die sich ebenfalls nicht auskennt, fragt zwei herumstehende Polizisten. Auch sie wissen nichts Genaues. Google Maps weist in eine Süden, unser Gefühl sagt, das kann nur falsch sein. Friedrich bringt uns schließlich auf die richtige Spur. Sein Orientierungssinn war dem meinen immer schon weit überlegen. Dieser Bus bringt uns endlich zur Wynyard Downtown Station. Nur wenige Schritte trennen uns vom Circular Quay. Oper und Harbour Bridge liegen vor uns im Schein der untergehenden Sonne. Geschafft.

Sydney hat sich in den letzten 10 Jahren verändert, wie alle Metropolen. Moderner, hektischer, weltgewandter. Das Setting am Hafen ist jedoch das gleiche und versprüht den Charme, der diese Stadt unvergleichlich macht. Wir schlendern durch die „Rocks“, das Viertel, in dem früher Hafenarbeiter, Seeleute, Prostituierte und Kriminelle lebten. In den 1970er Jahren wollte man die Sandsteinhäuser, nach denen die Rocks benannt sind, abreißen. Die Sydneysider protestierten und so begann eine umfassende Sanierung.

Heute herrscht eine quirlige Atmosphäre. Einheimische und Touristen zieht es in die zahlreichen Galerien, Bars, Hotels, Pubs, Souvenirläden, Kunstmärkte.

Wir entdecken auch unbekannte Viertel. In Newton fühlen sich junge Leute wegen der Nähe zur Universität wohl. Das Viertel ist von moderner Kunst geprägt und eine alternative Szene hat sich etabliert. Zahlreiche Restaurants machen die Wahl schwer. Wir entscheiden uns für einen Vietnamesen und essen leckere Nudelsuppe mit Huhn. Die Stadtviertel Paddington und Balmain werden an  den kommenden Tagen erkundet, wir gehen Indisch essen. Natürlich darf die Opera Bar nicht fehlen, in der wir unvergessliche Nächte verbracht haben.

Zum Schluss  wollen wir noch einmal einen Blick in das Hollywood Hotel werfen. Hier lernte ich vor 10 Jahren die Besitzerin, Doris Goddard, kennen. Sie war eine in Australien bekannte Opernsängerin und hatte auch in einigen Hollywood-Streifen mitgespielt. Irgendwann kaufte sie das Pub im damals hippen Stadtteil Surry Hills. Ein illustres Publikum traf sich jeden Abend. Die Einrichtung im Stil eines 50er Jahre Kinos mit roten Plüschsofas sorgte für nostalgisches feeling. Es schien, als wäre das Lokal aus der Zeit gefallen. Durch Zufall kam ich mit der älteren Dame, die allein am Tresen saß, an ihrem Rotweinglas nippte, ins Gespräch. Wir plauderten geschlagene 2 Stunden und sie erzählte mir aus ihrem Leben.

 Ob Doris noch lebt ? Wir betreten den Pub. Der Laden ist fast leer. Ein Typ sitzt am Ende der Theke, genau dort, wo Mrs. Goddard damals saß. Der Barkeeper bedient uns lustlos. Wir fragen ihn, ob es Doris Goddard noch gibt. Jetzt mischt sich der Mann ein, der ihren Platz eingenommen hat. Er stellt sich uns als ihr Neffe vor. Sie lebt seit Jahren im Altersheim. Er wartet darauf, dass er den Laden erbt. Dann will er ihn verkaufen. Schade eigentlich.

Eine Fahrt mit der typisch gelb-grünen Fähre in die Strandstadt Manly darf man sich nicht entgehen lassen. Hier ist einiges los und es kommt Urlaubsstimmung auf. Wir fühlen uns wohl und genießen den Wein, während die Sonne langsam rot wird. Das absolute Highlight ist die Rückfahrt zum Circular Quay. Im Abendrot zeigt die Stadt  ihr schönstes Gesicht.

Bevor wir uns weiter Richtung Westen aufmachen, müssen wir zum Depot der Vermietungsfirma unseres Wohnmobils fahren. Auf dem Campingplatz stellten wir fest, dass der Camper trotz angeschlossenem Kabel nicht mit Strom versorgt wurde. Wir riefen die Notfallnummer des Vermieters an. Ein Callcenter meldete sich und der hilfsbereite Mann am anderen Ende der Leitung versuchte unser Problem zu lösen. Ohne Erfolg.

Um 10 Uhr müssen wir ausgecheckt haben, dann gibt es nur noch Strom über die Autobatterie. Also auf  zum Depot. Zum Glück kann uns dort schnell geholfen werden. Wir hatten versehentlich einen in einer Klappe versteckten Schalter betätigt, der die Stromversorgung abschaltete. Nun kann es weiter Richtung Südwesten nach Kiama gehen. Da noch einige Ortschaften auf dem Programm stehen, müssen wir schweren Herzens eine Wahl treffen, wo wir die nächsten 3 Tage verbringen wollen. Im Südwesten Richtung Melbourne gibt es so viele wunderschöne Strandplätze. Obwohl Jervis Bay mit feinen, fast weißen Sandstränden aufwartet und uns das kleine Städtchen Huskisson sehr gut gefällt, entscheiden wir uns für Sussex Inlet(Inlet kann Fluss-oder Meeresarm bedeuten). Hier kann man Kajak fahren, Motorboote mieten und die verschlungenen Wasserwege des Flussarmes erkunden, immer den Pelikanen hinterher, die sich gemütlich auf Fischfang begeben.

Wir satteln die Drahtesel und erkunden den Ort, essen Fischsuppe und besuchen alle vorhandenen Clubs. Im Bowling Club lernen wir Steve kennen. Er war Mechaniker bei der Air Force und unterhält sich gerne mit Leuten, die er hier noch nie gesehen hat. Ein aufgeschlossener umgänglicher Typ. In den Vereinen trifft man immer wieder nette Leute, die neugierig auf Besucher sind. Solche Einrichtungen, in denen sich auch Rentner gerne treffen, müsste es bei uns auf dem Land auch geben. Ein Bus holt die Mitglieder stündlich von zu Hause ab und bringt sie wieder zurück. Im Surfclub sind Rentner in der Unterzahl. Wir jagen den Altersdurchschnitt hoch. Die jungen Leute sind ansprechbar. Man fragt Friedrich, ob er schon mal das Surfen probiert hätte. Mein Mann antwortet ohne mit der Wimper zu zucken: „Da schau ich lieber zu.“ Schmunzel.