Ritas Island nach Rockhampton

Von Home Hill bis Rita’s Island ist es nur ein Katzensprung. Wir sind früh unterwegs, denn abends entwickeln wir eine solche Müdigkeit, dass es kaum später als 20 Uhr wird, bis wir die Betten machen. Mein Mann kocht den Kaffee morgens spätestens um 6:30h. Ich reibe mir noch den Schlaf aus den Augen, da ich nachts oft wach bin. Schon um 9:15 Uhr kommen wir an dem Platz an, den ich in einer der vielen Stellplatz-Apps gefunden hatte. An diesem Fluss ist tatsächlich Camping erlaubt. Kein Verbotsschild weit und breit. Wir können unser Glück kaum fassen. Tisch raus, Stühle raus, Markise ausgefahren. Es dauert nicht lange bis einige Einheimische ankommen, um ihre Boote zum Fischen ins Wasser zu hieven. Auch hier warnt ein Schild vor Krokodilen. Wir stehen erhöht, ca. 4m über der Wasseroberfläche. Am Ufer befindet sich ein kleiner Strand.

 

Als wir es uns gerade gemütlich machen, kommt ein Mann auf einem Quad, seine drei Kinder im Schlepptau. Es dauert nicht lange bis der Mann uns anspricht und die üblichen Fragen stellt: Woher kommt ihr, wo wollt ihr hin? Wir befriedigen seine Neugier wahrheitsgemäß. Er versichert uns, dass wir hier unbehelligt bleiben können. Wir kommen ins Gespräch. Die Söhne, 10, 6 und 4 Jahre alt, holen von zu Hause, das nur wenige 100 Meter entfernt liegt, ihre fahrbaren Untersätze zum Bestaunen. Alle drei besitzen Mini-Motocrossbikes, jeweils ihrer Größe angepasst. Selbst der 4jährige fährt wie ein alter Hase.

Warry, unser neuer Freund, ist Bauer, mit einer wohl nicht ganz so gewöhnlichen Aborigine verheiratet. Der jüngste Sohn ist sein Liebling, da er seiner Frau am ähnlichsten ist. Er erzählt uns, wann die Krokodile auf Jagd gehen. Tagsüber ist man am Ufer sicher. Nur in der Dämmerung, morgens, abends und nachts muss man aufpassen.

Warry hat einige Geschichten auf Lager. So wäre er beinahe von einem der Knorpelmonster erwischt worden, als er betrunken vom Boot in den Fluss fiel. Augenblicklich ernüchtert, schwamm er so schnell er nur konnte 30m an das Ufer, um sein Leben zu retten. Ist das Fischerlatein? Wir können und wollen es nicht überprüfen.

Wir spendieren ihm ein paar Bier, er revanchiert sich mit Feuerholz, damit wir abends ein Lagerfeuer anzünden können. Zum Mittagessen verschwindet die Familie nach Hause. Wir sind sicher, wir sehen uns heute nachmittag wieder. Gegen 16 Uhr sind alle vier wieder an Ort und Stelle. Warry hat geschmortes Wallabygulasch mit Gemüse und Reis als Kostprobe für uns mitgebracht, das seine Frau zum Abendessen vorbereitet hat.

Das zur Gattung der Kängurus gehörende Tier ist deutlich kleiner als ein Känguru und dunkel- bzw. nachtaktiv, genau wie die größeren Verwandten. Warry sagt, es habe ihn lediglich eine Kugel gekostet. Wie sollen wir uns erkenntlich zeigen? Die Kids hatten schon Cola und Süßigkeiten bekommen. Wir geben ihm noch ein Bier und lassen ihn unser Chicken Curry probieren, das für heute Abend vorgesehen ist. Er zündet die Holzscheite an und beginnt uns seine Lebensgeschichte zu erzählen: Drogensucht, Gefängnis, viele Entbehrungen. Dann lernte er seine Frau kennen, die ebenfalls drogenabhängig war. Beide lebten in Armut.

Durch ein soziales Projekt der Gemeinde und der Hilfe von ihren Eltern, konnten beide die Sucht überwinden, eine Farm gekaufen, haben Kinder bekommen. Jetzt führt die Familie ein beschauliches Leben. Warry bewirtschaftet die Farm und geht Fischen.  Wir erleben ihn als engagierten Vater, der seinen Kindern das Wertvollste gibt: viel Zeit. Warry ist froh, wenn er Abwechslung durch Camper hat, mit denen er angeln, jagen oder einfach am Feuer sitzen kann. Er erzählt uns, dass neulich ein Franzose hier war und 2 Wochen geblieben ist. Der Mann sprach kaum Englisch, wurde aber ein Freund, da er alle angebotenen Aktivitäten annahm und die beiden ohne viele Worte klar miteinander kamen.

Abends gibt es eine herzliche Verabschiedung, denn wir wollen weder angeln noch jagen, sondern brauchen morgen wieder einen Campingplatz.

Arlie Beach, das erklärte Lieblingsziel aller Backpacker, wollen wir uns anschauen. Viele Australier nutzen diesen beliebten Urlaubsort, als Ausgangspunkt zu den traumhaften Whitsunday Islands. 300 kommerzielle Reiseveranstalter buhlen um Kunden, die mit diversen Booten, Yachten, Katamaranen zum schneeweißen Whitehaven Beach, nach Hamilton Island oder Hayman Island transportiert werden. Segeln, Tauchen, Schnorcheln.... alles möglich oder Rundflüge über die Inseln. Natürlich haben diese Aktivitäten ihren Preis. Uns ist das alles zu viel. Nicht, dass wir nicht auch etwas tiefer in die Tasche greifen würden, um ein unvergessliches Erlebnis zu haben. Aber mit 50 Leuten auf einem Tauchboot und  20-30 weiteren touristenbesetzten Schiffen über die bedrohten Korallen des Great Barrier Reefs zu tuckern, nur um schneeweißen Strand zu sehen, reizt uns nicht allzu sehr.

Wir begnügen uns damit, in Arlie Beach spazieren zu gehen. Leider hat das Restaurant, welches köstliche Meeresfrüchte auf der Speisekarte präsentiert, geschlossen. Die anderen Lokale bieten das Übliche: Hamburger, Fish and Chips, Pizza. Wir essen lieber zu Hause: Lachs auf jungen Spinatblättern mit Cashewnüssen und roter Bete, Chili con Carne mit würziger Peperoni, ordentlich Zwiebeln, Bohnen und Mais, gewürzt mit Oregano, frischem Thymian und etwas Harissa. Am nächsten Tag laufen wir 3km zur Marina und Friedrich bekommt die besten Calamari, die er je in Australien gegessen hat.

 

Frühmorgens geht es zum Shoppen ins Pioneer Valley nahe der Stadt Mackay. Auf dem Weg zur Finch Hatton Gorge, etwa 2 Kilometer vom Eungella Nationalpark entfernt, hat sich der alte schrullige Wazza ein Bushcamp gemietet. Mitten im Regenwald stehen ein paar alte, liebevoll zusammengebaute Hütten, ohne Fenster, Campkitchen, Lagerfeuer, Regenwaldduschen. Toiletten sind vorhanden. Im Fluss dürfen Gäste tagsüber in den Naturpool springen, abends tummeln sich Schnabeltiere (Platypus) im nicht ganz so klaren Wasser.

Von Wazza werden wir nicht allzu freundlich empfangen. Unser Nachbar lässt den Generator rattern, was nicht in die friedliche Atmosphäre passt. Er fragt uns jedoch höflich, ob er seine Batterien noch aufladen könne, dann würde er das Gerät abschalten. Für uns kein Problem. Wazza hält nichts von dieser Idee und gerät mit dem netten Australier in Streit.

Schnabeltiere sind nicht zu Hause. Dafür taucht eine giftig grün aussehende Schlange im Wasserloch, genannt Pool auf und schlängelt sich ihrer Wege. Auf ein Bad verzichten wir. Zu Fuß geht es weiter zu den Wasserfällen….. um ein Uhr mittags bei gefühlten 35 Grad im Schatten. Nach 700 Metern hat Friedrich die Lust verloren, fallendes Wasser und jegliche Regenwaldflora und -fauna zu erleben. Er marschiert zurück zum Wohnmobil. Ich gebe nicht auf, schaffe es aber auch nicht, den steilen Weg bergauf zu meistern. Auf dem Rückweg begegnet mir ein Waran, der schnell im Gestrüpp verschwindet. Wer hat hier Angst vor wem? Abends erfreuen wir uns an den vielen Stimmen der unbekannten Vögel im Wald. Wir schlafen gut und genießen die Atmosphäre im Regenwald.

Am nächsten Tag durchqueren wir wunderschöne hügelige Wiesen, Wälder, Zuckerrohrfelder. An vielen Stellen rumpeln wir über schmale Pisten. Schienen wurden verlegt, um das geerntete Zuckerrohr mit Loren zur Weiterverarbeitung in Fabriken zu transportieren. Die Suche nach einem Platz in der wilden Natur braucht Zeit. Wir können keinen finden, der frei ist. Ein wirklich schöner Ort direkt am Meer muss über die Website der Provinzregierung vorgebucht werden. Ich rufe dort an und frage, ob wir nicht für heute buchen können. Nein, erst ab morgen, sagen die Beamten.

Die App führt uns zu einem Campingplatz am Cape Palmerton. Der Pächter ist überaus freundlich und der Platz wäre eine Woche Aufenthalt wert, wenn es Wlan gäbe. Gibt es leider nicht. Dafür abends auf einer Wiese ca. zwanzig Kängurus, die das Dickicht zum Grasen verlassen: große, kleine, mittlere. Toll zu beobachten, endlich lebende, hüpfenden Beuteltiere, die es nur in Australien gibt. Bisher haben wir sie nur tot am Straßenrand liegen sehen. Kängurus sind die einzigen großen Tiere, die sich hüpfend fortbewegen.

Neuer Tag, neues Glück. Carmila Beach, für nur 10 Dollar Parkgebühr per App zu bezahlen, ist ein fantastischer Standplatz. Da wir früh ankommen, haben wir die Wahl und suchen uns ein schattiges Plätzchen mit Blick aufs Meer. Wir genießen die Ruhe und beobachten, wie ein portugiesischer Wasserhund, der einem benachbarten Camper gehört, nicht genug von Wasser und Wellen bekommt. Als die Flut einsetzt, versucht er kleine Krabben zu fangen. Die Buschhühner, die hier leben, lässt er in Ruhe.

Abends schnappen wir uns unsere Campingstühle und erleben den Mondaufgang am Strand. Eine orangefarbene Kugel erhebt sich aus dem Meer. Zunächst sieht es aus, als ob am Horizont ein großes, hell erleuchtetes Schiff auftaucht. Dann mutiert das vermeintliche Schiff zu einer strahlenden Scheibe, um schließlich als riesige Kugel, rötlich schimmernd über den leicht gekräuselten Wellen im dunklen Ozean diesen Teil der Erde zu beleuchten. Über uns die funkelnden Sterne, ein Glas Wein in der Hand....wir werden ganz still und sind überglücklich. Genauso hatten wir uns das Camperleben vorgestellt.

Das nächste Ziel heißt Rockhampton.

Auf den ersten Blick ein verschlafenes Städtchen mit viktorianischen alten Herrenhäusern aus der Zeit des Goldrausches, einer wenig belebten Uferpromenade am Fitzroy River und einer spärlichen besuchten Innenstadt mit einigen Geschäften.

„Beef and Reef“ ist das Motto der Stadt, der sogenannten „Beef Capital of Australia“. Im Westen Outback und Rinderfarmen, im Osten das südliche Ende des Great Barrier Reef mit den vorgelagerten Keppel Islands, dicht bewachsen mit Eukalyptusbäumen und Strände mit Sand so weiß und fein wie Puderzucker. Anfang 2011 wurde die Stadt durch den Pegelanstieg des Flusses komplett überschwemmt. Der Notstand wurde ausgerufen und Rockhampton war zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten, konnte nur mit Helikoptern versorgt werden. Wir übernachten am Botanischen Garten und schnallen die Fahrräder ab. Ein gemählicher Ritt durch die Stadt bis zum Bootshaus, um Meeresfrüchte zu essen. Die Lage des Restaurants ist überragend. Der Blick über den Fitzroy River könnte nicht besser sein. Das Essen dagegen schon. Die Jakobsmuscheln muss man mit der Lupe suchen, die Kalmare sind mit Teig überzogen und das Rindfleisch macht dem Namen der Stadt keine Ehre. Heute reicht die Zeit nicht mehr, um ins Museum zu gehen. Morgen wollen wir nach Yeppon ans Meer aufbrechen, um das schöne Wetter auszunutzen. In 2 Tagen soll es ordentlich regnen, dann geht es wieder zurück nach „Rocky“. Die Museen müsen warten.