Von Cape Tribulation bis Tully

Der Campingplatz ist großzügig angelegt und fast leer. Abends genießen wir absolute Stille. Auf unseren Campingstühlen sitzend, blicken wir hinauf in den Sternenhimmel. Kein Flugzeug blinkt. Wir befinden uns abseits jeglicher Verkehrsströme. In der Mitte des Platzes lodert ein Lagerfeuer, das vor allem die Kinder anzieht. Romantik pur im Norden des fünften Kontinents. Im Restaurant lassen wir uns die hochgelobte Pizza schmecken. Mal wieder vergessen wir, wie groß die Portionen bemessen sind. Eine für uns beide hätte gereicht. 

Das Cape Tribulation liegt im Daintree Rainforest, der mit 135 Millionen Jahren der älteste Regenwald unserer Erde ist. 430 verschiedene Vogelarten leben hier, 13 davon gibt es nirgendwo sonst auf der Welt. 3500 Pflanzenarten machen den Nationalpark zur artenreichsten Region Australien. Der Regenwald verläuft bis direkt ans Meer. Bis in die 1980ger Jahre gelangte man nur auf dem Wasserweg hierher. Der Name, Kap des Leidens, wurde gewählt, weil der Seefahrer und Entdecker James Cook Ende des 18. Jahrhunderts hier mit seinem Schiff auf Grund lief und erst nach vielen Wochen seine Reise fortsetzen konnte. 

Obwohl dieses Fleckchen Erde wunderschön ist, reisen wir bereits am nächsten Tag weiter. Es gibt so viel zu sehen und zu erleben. Die felsigen Atherton Tablelands liegen auf einer Höhe zwischen 350 und 1200 Metern. Dichter Hochlandregenwald, bizarre Würgefeigenbäume, Kraterseen, Wasserfälle, grüne Weiden und historische Stätten wechseln sich ab. Am besten gefällt uns der Ort Yungaburra, auch weil er sich als Camper freundlicher Ort präsentiert. "RV friendly" steht auf vielen Schildern. RV steht für recreational vehicle. Man ist allerdings nicht freundlich genug, dass man uns erlaubte frei zu campen.

Nach einem erfrischenden Bierchen im historischen Pub müssen wir weiterziehen, um vor Einbruch der Dämmerung einen Schlafplatz zu finden. Am beeindruckenden Kratersee Eacham Lake starren uns überall "Camping verboten" Schilder an. Die Strafen sind drastisch. Das wollen wir nicht riskieren. Gerade noch rechtzeitig werden wir in einer Waldschneise, gegenüber einer scheinbar verlassenen Fabrik fündig. 

Heute gibt es Porterhouse Steak.  Der knurrende Magen wird zufriedengestellt. Das Fleisch schmeckt fantastisch. Bratkartoffeln, Salat und ein frischer Sauvignon Blanc. Was wollen wir mehr. Zufriedenheit macht sich breit bis es anfängt bestialisch zu stinken. Ich beschuldige meinen Mann. Kann er die Bordtoilette  nicht geschlossen halten?

Doch es stellt sich heraus, dass Friedrich unschuldig ist. Wir haben die Kläranlage neben der wir parken, nicht als solche identifiziert. Fenster zu, auch wenn es heiß ist. Es ist schon dunkel, wir müssen hier bis morgen ausharren.

Nachts fängt es an zu regnen.  Morgens hängen tiefe, dunkle Wolken über der Landschaft. In der Ortschaft Innisfail werden wir von tropischen, sintflutartigen Monsunregen überrascht. Diverse Gebrauchsgegenstände, die wir im Wohnmobil vermissen, müssen angeschafft werden, zum Beispiel ein Wasserkanister, damit wir länger autark bleiben können. Ich bringe es fertig, nach nur 3 Tagen einen Hebel zur Fensterverriegelung abzubrechen, indem ich ihn grobmotorisch, wie ich bin, in die falsche Richtung  drehe. Schlechte Laune ist angesagt. 

Der Mission Beach gefällt uns trotz des schlechten Wetters. Leider auch hier überall Verbotsschilder. Selbst in der Nebensaison darf man nicht auf Strandparkplätzen übernachten, obwohl sie gähnend leer sind. Das war vor 10 Jahren noch anders. Damals hatte niemand etwas dagegen, wenn man seinen Camper für wenigstens eine Nacht direkt am Strand abstellte. Tempi passati.

Wir bewegen unser Fahrzeug weg vom Strand ins Landesinnere und passieren den unscheinbaren Ort Tully. Zuckerrohr verarbeitende Fabriken, wohin das Auge blickt. Nicht schön. Fahren, fahren, immer weiter ohne einen Übernachtungsplatz zu finden. Wir wollen schon fast aufgeben und einen Campingplatz suchen, da entdecke ich unterhalb einer Brücke ein halbwegs idyllisches Plätzchen an einem Bach. Kein Verbotsschild zu sehen. Die Stimmung bessert sich schlagartig. Ich begutachte die direkte Umgebung und trete unbedarft an das ruhig dahin plätschernde Flüsschen heran. Da fällt mir siedend heiß ein, dass man sich nicht nah an Flussufern aufhalten soll. Zum Glück ist kein hungriges Krokodil in der Nähe. Vielleicht liegt es träge im Schatten und hat keinen Appetit. Friedrich kocht derweil Boeuff Stroganoff, lecker.

Wir sind satt, nur das Krokodil ärgert sich über die verpasste Chance. Als es zu dämmern beginnt, kommt ein Kasuar aus dem Dickicht, ein flugunfähiger Vogel, der nur im Norden Australiens und Neuguinea vorkommt. In Queensland gibt es nur noch 1000 Exemplare dieser bedrohten Art. Die mit den Emus verwandten Tiere können 60 kg schwer werden und bis zu 1,70 m Höhe erreichen. Wenn sie Jungtiere haben, verhalten sie sich aggressiv und können Menschen gefährlich werden. Deswegen bleiben wir im Auto. Der Vogel nimmt uns gar nicht wahr. Das Wohnmobil interessiert ihn nicht. In dieser Nacht schlafen wir tief und fest. Ich träume von hungrigen Krokodilen und mörderischen Kasuaren.