Von Cairns nach Cape Tribulation

Cairns, die größte (160000 Einwohner) Stadt im äußersten Nordosten von Queensland in den Wet Tropics am Great Barrier Reef gelegen, lebt vor allem vom Tourismus. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Stadt als Stützpunkt für die Versorgung der Goldgräber gegründet. Der Hafen wurde ausgebaut, um die wichtigsten Exportgüter Gold, Metalle, Erze und Zuckerrohr zu verschifften.

Obwohl wir hundemüde sind, schlendern wir am späten Nachmittag die Esplanade genannte Promenade entlang, um uns einen ersten Eindruck zu verschaffen. Obwohl Cairns am Meer liegt, gibt es aufgrund von Mangroven und Schlamm keinen Strand. Entlang der Esplanade wurden Grünflächen, Fahrradwege, Sitzgelegenheiten, Barbequeeinrichtungen und eine mit Salzwasser gefüllte Lagune zum Baden und Schwimmen errichtet. Restaurants findet man in Hülle und Fülle. An der Marina gibt es besonders feine Restaurants, die Lust auf Schlemmen machen. Meeresfrüchte sind angesagt oder Steaks, nicht nur vom Rind, sondern Känguru und Krokodil stehen auf der Speisekarte.  

Uns wurde der RSL-Club empfohlen (die Returned and Services League ist eine Hilfsorganisation für Männer und Frauen, die in der australischen Armee gedient haben oder dienen). Man meldet sich als Besucher an und kann dort zu fairen Preisen sehr gut essen, trinken, Sport schauen oder zocken.

Am Samstagnachmittag ist der Club gut besucht. Wir fühlen uns willkommen. 

Am nächsten Tag schlendern wir durch die Stadt, machen uns mit den Supermärkten vertraut. Wie ist das Preis-Leistungsverhältnis. Wo kann man Bier und Wein kaufen? Nur in sogenannten Bottle Shops, lizensierten Läden wird in Australien Alkohol verkauft. Wir stellen fest, dass sowohl Lebensmittel, Wasser, Kaffee und Wein nicht teurer sind als bei uns. Nur beim Bier langen sie zu. 

Abends genießen wir ein Glas Wein auf unserer kleinen Terrasse. Am nächsten Tag statten wir dem Wohnmobilverleih einen Besuch ab, um uns für die Abholung morgen anzumelden. Das Auto steht bereit und am liebsten würden wir gleich losfahren. Vorher jedoch Wäsche im Waschsalon waschen, in der Innenstadt ein paar Bierchen trinken, den tag langsam ausklingen lassen. Nur noch einmal schlafen, dann ist es soweit. 

Alles läuft perfekt. Die junge Mitarbeiterin von LetsGo Motorhomes ist freundlich und geduldig. Obwohl wir schnell kapieren, dauert es knapp 2 Stunden bis alle Einrichtungen im Fahrzeug erklärt sind. Schnell entschlossen mieten wir 2 Fahrräder. Fachgerecht werden sie von der Angestellten auf dem Träger festgeschnallt.

Unser erstes Ziel ist das Einkaufszentrum. Proviant und zusätzliche Küchenutensilien finden wild durcheinander gewürfelt einen Platz in dafür vorgesehenen Staufächern. Zum Ordnen bleibt keine Zeit. Wir müssen uns beeilen, um vor Einbruch der Dunkelheit in Kuranda zu sein, einem kleinen Touristenort im Regenwald, 30 km entfernt, 330m über dem Meeresspiegel gelegen. Anstatt mit einer Seilbahn oder einem historischen Zug einen Tagesausflug zu machen, wie die meisten Touristen, wollen wir über viele Serpentinen und gewundene Straßen hinauf gelangen. Auf dem einzigen Campingplatz in Kuranda ist die erste Nacht im Camper geplant.

Die Straße ist schwierig zu meistern. Nebel und hohe Luftfeuchtigkeit hinterlassen einen glitschigen Film auf dem Asphalt. Hohe Konzentration ist gefordert. Es bleibt keine Zeit, die sattgrüne Landschaft zu bewundern.

An der Rezeption hängt ein Schild: Geschlossen! Was jetzt? Weiterfahren wäre zu gefährlich, denn es wird bereits dunkel. Nachts sind Kängurus unterwegs. Sie sind durch ihre hüpfende Fortbewegung viel unberechenbarer als zum Beispiel Rehe. Nicht umsonst haben die Einheimischen Frontschutzbügel, sogenannte Kängurufänger, als Vorbau an ihren Fahrzeugen, verchromte Stangen, die dafür sorgen, dass das Tier unter das Auto gedrückt wird und nicht in die Windschutzscheibe fliegt. Das Rote Riesenkänguru kann 1,80m groß und 90 kg schwer werden. Mit so einem Koloss und selbst den kleineren Verwandten wollen wir während der Fahrt keine Bekanntschaft machen.

Zum Glück kommt eine ältere Dame aus einem Wohnwagen. Sie klärt mich auf, dass die Pächter heute  früher als sonst die Rezeption geschlossen hätten. Wir könnten uns auf Platz 32 stellen und morgen bezahlen. Erleichtert rangiert Friedrich das Wohnmobil so, dass wir Campingtisch und Stühle vor das Fahrzeug platzieren können.

Das erste Bier abends im Regenwald, eiskalt aus dem Kühlschrank, schmeckt köstlich.  Fremde Vogelarten singen ihr Abendlied. Nachdem wir unser Nachtlager hergerichtet haben, liegen wir müde, aber glücklich auf den bequemen Polstern, die tagsüber als Sofa dienen. Es ist erst 20 Uhr, aber die Aufregung des Tages fordert ihren Tribut.

Am nächsten Morgen trauen wir unseren Augen nicht, als wir auf die Uhr schauen. Es ist halb zehn Uhr Wir haben beide mehr als 12 Stunden geschlafen. Das Frühstück wird inmitten des Chaos, das im Auto herrscht, munter eingenommen. Gestern konnten und wollten wir unsere 5 Gepäckstücke nicht mehr auspacken. Auch die Vorräte haben wir ungeordnet in verschiedene Klappen gestopft. Heute wird aufgeräumt, damit wir uns heimisch im Fahrzeug fühlen können. Immerhin soll das Wohnmobil 3 Monate lang unser Zuhause sein. 

Nach 2 Stunden sehen wir Land. Nachmittags werden die Fahrräder abgeschnallt und ein kleiner Ausflug in die 3km entfernte Stadt gemacht. Ach, die steilen Anstiege haben wir gestern gar nicht registriert. Unsere Seebacher Straße zuhause ist flach dagegen. Wer sein Rad liebt, der schiebt. 

In Kuranda lebten vor 10000 Jahren Aborigines. Dann kamen die Europäer und bauten eine Eisenbahn zum Transport von Baumstämmen und Blech. In den 70ger Jahren entdeckten Hippies den Ort und boten ihre handgefertigten Waren zum Verkauf an. Heute ist Kuranda eine der Hauptattraktionen in der Nähe von Cairns, denn man kann die Fahrt hinauf mit der historischen Eisenbahn oder mit dem 7,5km langen Cable Ride kombinieren. Unterwegs bieten sich Stopps an, um den Barron River Wasserfall zu bestaunen. Der Weg ist das Ziel, denn Kuranda bietet vor allem Souvenirshops, Restaurants, einen Koalagarten, eine Schmetterlingsfarm und ein paar Läden in denen Aborigine-Kunst angeboten wird. Der Ort ist fest in Touristenhand, total vermarktet. Unser Campingplatz liegt dagegen abseits der Urlauberströme.

Für den nächsten Tag habe ich einen Stellplatz am Cape Tribulation fest gebucht, was sonst nicht unsere Art ist. Viele Möglichkeiten zum Übernachten gibt es dort nicht, denn der Ort liegt im Daintree Nationalpark, wo es nicht gestattet ist, außerhalb der campsites die nacht zu verbringen.

Die Fahrt führt zunächst nach Port Douglas. Wir fahren eine traumhaft schöne Strecke oberhalb des türkisblauen Meeres entlang. Leider herrscht viel Verkehr. Die Straße windet sich an Felsen entlang und hinter uns hupt ein Transporter, weil wir zu langsam fahren. Ich bekomme einen Anfall nach dem anderen, da ich als Beifahrerin einen anderen Blick auf die Straße habe, als der Friedrich. Für mich wirkt es so, als schrammten wir jeden Moment gegen die Felsen. Friedrich hingegen muss sich konzentrieren, nicht zu weit nach rechts zu fahren, um in der Spur zu bleiben. Drängelnde LKW machen die Situation nicht besser. Ich rufe: "Fahr nicht so weit nach links, siehst du die Felsen nicht!“ Friedrich schreit zurück: "Weiter rechts rüber kann ich nicht.“ Die Lage ist angespannt und wir rasen an den herrlichsten Landschaften vorbei, ohne sie wahrzunehmen.

Endlich bietet sich ein Boxenstopp in Port Douglas an. Die Stadt hat sich seit den 80ger Jahren zu einem Luxusferienort entwickelt. Die kleine Stadt liegt wunderschön am Rande des Regenwaldes mit Traumstränden, nur 40km vom Great Barrier Reef entfernt. Viele edle Yachten, hübsche Häuser, luxuriöse Geschäfte und Restaurants laden zum Verweilen ein. Für uns spiegelt der Ort nicht das Australien wider, das wir so lieben: Natur, Einsamkeit, Ursprünglichkeit. Deshalb geht es nach einer kurzen Pause weiter Richtung Nationalpark. Eine Drahtseilfähre bringt uns mit unserem Gefährt auf die andere Seite des Daintree River, wo Salzwasserkrokodile leben, die größten und aggressivsten Reptilien der Erde. Permanent sehen wir Warnschilder: Nicht schwimmen, auch nicht im Meer, nicht zu nah an Flüsse oder Bäche herantreten. Die Urviecher könnten überall lauern. Oft sehen sie aus, wie knorrige Stücke Treibholz, die reglos im Wasser dümpeln. Von der Beute unbemerkt schleicht das Tier sich an, um  blitzschnell zuzupacken. Das Opfer wird ins Wasser gezogen und ertränkt.

Eine schmale, geteerte Straße schlängelt sich durch den prächtigen, in verschiedenen Grüntönen schimmernden Regenwald. Farne, Palmen, einheimische, uns unbekannte Pflanzen säumen den Weg. Ein Schild weist auf den Campingplatz hin. Wir sind begeistert. Welch malerisches Fleckchen dieser Erde haben wir uns ausgesucht: den nördlichsten Ort auf unserer Reise durch Australien, Cape Tribulation.