2. Kamilari

 

Entlang wunderschöner Berglandschaften fahren wir unserem Ziel für die nächsten Wochen entgegen. Ich habe ein Dorf in der Nähe von Matala, dem ehemaligen berühmten Hippie-El Dorado, ausgesucht.

Die Fahrt von Chania nach Kamilari dauert 2,5 Stunden. Während der Fahrt kommuniziere ich mit unserem Vermieter, der in Athen lebt. Seine Mutter wird uns empfangen. Wir dürfen frühzeitig einchecken. Das Dorf zeichnet sich wie so viele Bergdörfer auf Kreta durch sehr enge Gassen aus. Die Parksituation ist schwierig. Ausgerechnet gleichzeitig mit unserer Ankunft wollen Handwerker zur selben Adresse. Friedrich muss mit dem Auto rangieren und immer aufpassen, dass er nicht auf den steilen Steingassen aufsetzt. Die Handwerker sind nicht besonders erfreut, dass sie uns Platz machen müssen. Irgendwann haben wir es geschafft. Das Gepäck ist ausgeladen und die Wohnung bezogen.

Der erste Abend in Kamilari

Alles passt. Wohnzimmer, offene Küche, 2 Schlafzimmer mit Einbauschränken, Bad mit geräumiger Dusche und vor allem die große Dachterrasse mit wunderschöner Aussicht auf das 2km entfernt liegende Meer. Die Mutter des Vermieters ist super freundlich und hat uns einen großen Obstteller, Wein, Raki und Wasser im Kühlschrank bereitgestellt. Am nächsten Tag bringt sie noch eine Schüssel mit Kuchen und Gebäck. Wir werden verwöhnt.

Die Handwerker richten für die Leute im Erdgeschoss einen Rollrasen her. Nach 2 Stunden ist es wieder ruhig. Unter uns hat der Bruder von Manolis(Vermieter) eine Ferienwohnung für sich und seine Familie eingerichtet. Sie sind scheinbar nur am Wochenende da. Die Mutter wohnt im 7km entfernt liegenden Ort Timbaki.

Abends geht es in die nah gelegene Taverne Akropolis. Das Lokal ist beliebt, die Terrasse füllt sich schnell. Hier darf man wie früher in der Küche in die Töpfe schauen. Typisch griechisch. Die Portionen sind gigantisch. Wir müssen was verändern. Entweder keine Vorspeisen oder nur ein Hauptgericht. Zum Schluss gibt es wieder Raki und Dessert. Das scheint inzwischen üblich zu sein.

Bei Markos, dem Kafenion in Kamilari gibt es zum Wein oder Bier wieder einen Teller Mezes. Wir sind doch schon so satt. Hier lernen wir Kim und Leonie kennen, die uns schon im Supermarkt in Timbaki aufgefallen waren, wo wir für das Frühstück eingekauft hatten.

Sie sind beide Flugbegleiterinnen bei Condor. Gespannt lauschen sie meinen Erzählungen von der Fliegerei in den 80ger und 90ger Jahren. Ich wiederum höre mir interessiert an, wie es heute so zu geht im Fliegerbusiness. Am späten Abend machen wir uns auf den Heimweg. Die Bar neben der Akropolis Taverne hat noch auf. Ach komm, einen Cocktail zum Abschluss des ersten Abends darf es noch sein. Wir nehmen vor dem Lokal Platz und nippen genüsslich an unserer Caipirinha. Als es zu regnen beginnt, begeben wir uns ins Innere des Lokals. Ich übersehe eine unscheinbare, kleine Stufe.  Mein rechter Fuß kippt nach außen und ein stechender, sehr starker Schmerz durchfährt mich. Das Personal ist sehr bemüht und bringt gleich Eis zum kühlen. Wie ich es unter schneidenden Schmerzen die 100m nach Haus geschafft habe, weiß ich nicht mehr. Friedrich weiß nicht, wie er mich stützen soll, denn er läuft ja an Krücken. Schließlich gelingt es ihm mich heim zu bringen.

Mein Fuß schmerzt und sieht schlimm aus. Dick, blau, ich kann kaum auftreten. Müssen wir jetzt alles aufgeben und wieder in die Heimat fliegen? Mein Kopfkissen ist nass von Tränen.  Ich bin verzweifelt.

Ruhen hilft. 2 Tage lang bewegen wir uns nicht aus dem Haus.

Kleine Lebensmitteleinkäufe werden erledigt. Der nächstgelegene Strandort Kalamaki enttäuscht uns. Mittags ist wenig los. Alles wirkt ein wenig ausgestorben. Es weht ein kalter Wind. Abends essen wir Lamm und Gulasch in einem netten Restaurant in unserem Dorf. Ein Absacker darf es noch sein in der Blue Bar. Die Stimmung wird wieder besser. Ich bin nicht sicher, ob ich einen Bänderriss, Mittelfußbruch oder nur eine Verstauung habe. Der Fuß sieht immer noch nicht gut aus. Nachmittags kehren wir im Nachbarort Sivas bei Jorgos und Anna ein.  Friedrich gönnt sich ein Stück Kuchen. 2 Brüder aus Münster gesellen sich dazu. Sie kommen schon seit vielen Jahren in den Ort und geben uns alle möglichen Tipps und Empfehlungen. Abends in Kamilari in der Blues Bar lernen wir ein Paar aus Berlin kennen. Monika und Richard sind nette Leute und kennen sich in der ganzen Umgebung gut aus. Wieder erhalten wir jede Menge Empfehlungen. Am nächsten Abend wollen sie uns mitnehmen in ein griechisch-marokkanisches Restaurant in Pitsidia.

Agia Galini und  schöne Abende in netter Gesellschaft

Wir verabschieden uns ohne direkte Zusage. Friedrich und ich wollen noch bei Markos vorbeischauen, wo wir am ersten Abend die Flugbegleiterinnen kennengelernt hatten. Markos setzt sich zu uns und es wird ein langer Abend.

Ein schöner Ausflug führt uns an Timbaki vorbei nach Kokkinos Pirgos, ein kleines verschlafenes Nest mit ein paar Tavernen am Strand. Von hier ist es nicht mehr so weit nach Agia Galini. Dieser Ort im Süden Kretas ist recht bekannt. Das Städtchen schmiegt sich an die steilen Felsen. Im Hintergrund türmen sich die mächtigen Berge des Psiloritis Gebirges auf. Es gibt hier keine Bettenburgen, sondern nur kleinere Hotels, Pensionen und Appartments. Wir lassen uns in einem der Hafencafeterias nieder. Freundlich und zuvorkommend werden wir bedient, obwohl wir nur Wasser, Frappe und einen Tsaziki bestellen.

Abends holen Monika und Richard uns mit dem Auto ab, weil die 400m steil abfallende Straße, die uns in das Restaurant Kelari führt für Friedrich mit Krücken nur schwer zu bewältigen ist.

Tolles Ambiente, sehr gutes Essen, leckerer Wein und nette Gespräche, was will man mehr. Ein letzter Drink muss sein

Es geht es wieder in die Blues Bar. Für den nächsten Abend verabreden wir uns wieder. Das ist leider schon der letzte für die Berliner. Bis spät abends sitzen Friedrich und ich vor unserem Panoramafenster und beobachten die über das Meer zischenden Blitze.

Leider hat sich das Wetter nochmal verschlechtert. Es regnet den ganzen Tag, was das Zeug hält. Habe ich in Griechenland noch nie erlebt. Die Welt scheint unter zu gehen. Am späten Nachmittag lässt sich endlich die Sonne wieder blicken. Richard kutschiert uns nach Kalamaki, dem 2km entfernten Strandort. Dort werden wir in ein ganz in weiß gestaltetes Fischrestaurant geführt.

Der Oktopus und die marinierten Sardellen schmecken hervorragend. Friedrich ist mit seinem Hähnchenfilet in Zitronenweißweinsauce auch sehr zufrieden.

Am späten Abend heißt es Abschied nehmen. Schade, dass Monika und Richard schon gehen müssen. Es war sehr nett mit ihnen. Sie sind sympathische und vor allem sehr offene Menschen. Vielleicht trifft man sich mal wieder.

Kali Limenes

Wir überqueren die Asterousia Berge, um an den einsamen Strandort Kali Limenes zu kommen. Die Straße ist zwar asphaltiert, dennoch ist die Strecke anspruchsvoll. Über viele Kurven schlängelt sich die Straße durch die Bergkette. Wir durchqueren ein Dorf, dessen Gassen enger kaum sein könnten. Als  das blau schimmernde Meer zu sehen ist, verdirbt der Ausblick auf drei riesige Öltanks die Idylle.

Der Ort wirkt verwaist. Ein paar Wildcamper mit Wohnmobil, Wohnwagen und Zelt haben sich häuslich eingerichtet. 2 ältere Leute sitzen am Strand.

Kali Limenes bedeutet guter Hafen. Die See ist hier außergewöhnlich ruhig. Deswegen hat man die Treibstofftanks in diesen natürlichen Hafen gebaut. Schiffe, die das Mittelmeer oder sogar durch den Suezkanal fahren können sich hier mit Treibstoff versorgen. Die Tanks gehören zum Firmenimperium des kretischen Oligarchen Vardinogiannis, dessen Vermögen auf 1,9 Milliarden Dollar geschätzt wird.

Wir machen uns ohne einzukehren wieder auf den Rückweg. Ein fantastischer Blick auf die fruchtbare Messara Ebene bietet sich uns. Wir halten in Sivas, einem Nachbarort von Kamilari. Hier führt Kostas ein ganz besonderes Kafenion. Schon vor ein paar Tagen wollten wir es besuchen, landeten aber nebenan im Café Europa bei Jorgos und Anna.

Matala schreckt uns ab. Wir schaffen es nur bis zum riesigen Parkplatz vor dem Städtchen. Der Ort quillt über. Tagestouristen auf der Suche nach dem vergangenen Hippie-Flair. Ursprünglich hatten sich amerikanische Kriegsdienstverweigerer in der Zeit des Vietnamkrieges hier niedergelassen. Hippies, die es sich in den natürlichen Höhlen, die einst als Grabstätten der Römer dienten, gemütlich machten zogen nach.  Ein paar Gestrige gibt es noch. Sie bieten wie früher ihren selbst hergestellten Schmuck an und scheinen immun gegen den Touristenrummel.

Abends speisen wir in der Taverne Loggia. Zicklein in Rotweinsauce und herrlich zitronig schmeckender Weißwein. Ein Absacker bei Markos macht den Abend perfekt. Hier lernt insbesonder Friedrich den Hund Snoopy kennen, der sich mit wachsender Begeisterung von ihm kraulen lässt. Die Dame, zu der Snoopy gehört, hatte ihn einst hier auf Kreta fast verhungert gefunden und mit nach Haus genommen. Jetzt ist sie zusammen mit Snoopy in seine Heimat ausgewandert.

 

 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.