6. Myrtos

Wir fühlen uns ausgeschlafen, fit und munter. Der Ausflug gen Osten in die Nähe der südlichsten Stadt Europas Ierapetra kann stattfinden. Schnell ein paar Sachen zusammengepackt, weil wir unterwegs übernachten wollen und los geht's.

Wir durchqueren die fruchtbare Messara Tiefebene. Endlose Olivenhaine, durchbrochen von Feldern auf denen Orangenbäume wachsen, Gemüse-und Getreideanbau verschaffen den Bauern ein auskömmliches Leben. Das Asterousia Gebirge begrenzt die Ebene auf südlicher Seite. Um in die Strandorte zu gelangen, müssen wir das Gebirge auf sich schlängelnden kleinen Straßen, die durch enge Bergdörfergassen führen, überqueren. 

Nach steilem Abstieg gelangen wir zunächst nach Tsoutsouros. Der beschauliche Ort wird wegen seiner rauhen Sitten, die hier herrschen sollen, Simbabwe genannt. Das Meer schimmert kristallblau und macht Lust auf einen Sprung ins kühle Nass. Der Hafen ist für den kleinen Ort relativ groß geraten. Wir wollen eine Kaffeepause einlegen, finden aber kein geeignetes Lokal. Also weiter. Friedrich fragt mich besorgt, ob wir die ganze Strecke über die Berge zurückfahren müssen, um dann ein paar Kilometer weiter wieder über Stichstraßen zum Meer abzusteigen. Ich kann ihn beruhigen.

Bis Keratokampos schleicht die Straße fast ausnahmslos am Meer entlang. Ein ca. 7km langer Sandstrand zieht sich entlang der Bucht. Ein paar Wohnmobile campen wild. Es ist nur wenig los. Man kann sich nicht vorstellen, dass sich im Norden Kretas die Massen tummeln und nur 70km entfernt der Tourismus eine untergeordnete Rolle spielt. Die Menschen leben von der Landwirtschaft. In Treibhäusern werden Tomaten, Bananen, Gurken und anderes Gemüse angebaut. Früher brachte die Fischerei genug zum Leben ein. Tempi passati. Das Mittelmeer ist fast leergefischt.

Jetzt brauchen wir wirklich eine Pause. Wir sind schon über 2 Stunden unterwegs. In einer ansprechenden Taverne wollen wir eigentlich nur einen Eiskaffee trinken. Der Wirt bringt Tischdecke, Besteck und Öl. Na gut, warum nicht einen Salat und ein bißchen Tsatziki. Ausgesprochen lecker.

Nach der Stärkung geht es dann doch wieder hinauf in die Berge. Ziegen stehen mitten auf der Straße und wollen uns den Weg nicht freigeben. Friedrich hupt. Sie antworten: Määäh und begeben sich gemächlich an den Straßenrand. In Ano Viannos, einem 1000 Einwohner Bergdorf hätten wir gern unter der großen Platane einen Kaffee in der Gesellschaft älterer, kretischer Herren getrunken. Wie so oft finden wir keinen Parkplatz und fahren weiter.

Auf einer Anhöhe kurz nach Ano Viannos erinnert ein Denkmal an die Gräueltaten der deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg. Auf einer Tafel steht folgendes zu lesen:

"Vorbeigehender, Achtung. Hier unten befinden sich Leichen, die nie betrogen, nie gelogen, die Tyrannen nie geachtet haben. Vorbeigehender Achtung. Mit reinen Gedanken denke über sie und wenn du dieses schöne Licht genießt und ohne Angst hier laufen kannst und wenn du geliebt wirst und selber liebst und allles Gute, das du im Leben hast, haben dir diese Leichen geschenkt."

Wir sind sehr betroffen. Die Deutschen haben den Kretern unendlich viel Leid zugefügt.

Der Ausblick von hier oben ist gigantisch. Endlich können wir einen herrlich kühlen Frappé in dem Restaurant mit Panoramafenstern trinken. Das Diktigebirge mit seinen zerklüfteten Schluchten und herrlichen Wäldern, die man auf Wanderwegen durchkreuzen kann, ist ein großer Kontrast zur Messara Ebene. Der Abstieg in den Strandort Myrtos gestaltet sich einfach. Die Straße ist breit, mein Adrenalinpegel hält sich in Grenzen. 

Wie früher, ohne Vorausbuchung bekommen wir ein einfaches Zimmer im Hotel Myrtos. Wir verbringen einen faulen Nachmittag an der Strandpromenade, gehen in einer netten Taverne abends gut essen, lernen gleich wieder Leute kennen, die wir später nochmal in einer Strandbar treffen und fühlen uns sehr wohl. Am späteren Abend genießen wir den Blick von unserem kleinen Balkon und beobachten das Treiben auf der Straße. Der kleine Laden neben dem Hotel hat um 22 Uhr noch auf. Die etwa siebzigjährige Betreiberin sieht müde aus. Als ich uns noch schnell ein paar Flaschen Wasser besorge, frage ich sie, ob sie nicht bald schließen will. Ja, Ja, sagt sie. Um 23 Uhr, als wir ins Bett gehen, ist der Laden immer noch geöffnet.

 

Das Frühstück am nächsten Morgen ist phänomenal. So einfach das Zimmer war, dieses Frühstück ist nicht zu toppen. Spiegelei, Spinattaschen, Croissants, verschiedene Brotsorten. Joghurt mit Honig, verschiedene Käse und Wurstsorten, Kaffee soviel wir wollen, Orangensaft. Wir sind begeistert. Das Abendessen können wir uns heute sparen. Nach Ierapetra fahren wir nicht, wir können schlecht laufen und außerdem ist es für eine Stadtbesichtigung zu heiß. Das werden wir irgendwann mal nachholen.

 

Die Rückfahrt bietet wieder herrliche Ausblicke. Mittags kommen wir "zuhause" in Kamilari an, machen ein Päuschen und fahren später zu Kostas. Dort lernen wir ein deutsches Paar kennen, die sich gerade ein Haus südlich von Heraklion kaufen. In Sivas wohnt ihr Projektleiter und Rechtsanwalt, deswegen hat es sie hierher verschlagen. Sie erzählen uns schlimme Geschichten über unbedarfte Leute, die beim Häuserkauf auf Kreta abgezockt wurden. Hoffentlich gehören sie nicht selbst dazu.

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