Ein Glückstag in Vang Vieng

Vang Vieng in Laos, traumhaft am Fluss Xong gelegenen, inmitten von Karstkegeln, Höhlen und prächtiger Landschaft eilte ein zweifelhafter Ruf voraus. Der Ort galt als Mekka der Partytouristen und Backpacker, die in Scharen anreisten. Ihr erklärter Wunsch war es, sich auf LKW Reifenschläuchen, dem sogenannten Tubing, den Fluss hinunter treiben zu lassen. Unterwegs wurden sie von Animateuren der unzähligen Bars am Ufer per Seil an Land gezogen, um sich eine Ladung Bier, Whiskey oder starke Cocktails, dazu ein paar Joints einzuwerfen. Auch stärkere Drogen gab es zu kaufen. Völlig bekifft, besoffen und/oder stoned ging es über Stromschnellen weiter zur nächsten Bar. Zur Begrüßung einen Tigerschnaps, dann harte Drinks aus Zehnliter-Eimern, Drogen offen über die Theke verkauft. So lief es jahrelang. Unfälle blieben nicht aus. Die jungen Leute stürzten von Wasserrutschen auf Steine, ertranken, erlitten Alkoholvergiftungen.

Als 2011 offiziell 27 Menschen beim Tubing ums Leben kamen, schritt die Regierung ein und schloss die meisten Ufer-Bars. Eine Weile muss es sehr ruhig gewesen sein. Nun sind wieder Backpacker da, aber auch Familien und vor allem Naturliebhaber, denn die Landschaft ist atemberaubend schön.

Wir reisen per Bus aus Luang Prabang an. Die Straße schlängelt sich über 200km über mehrere Pässe an knapp 2000m hohen Bergmassiven vorbei. Üppig grüne sowie schroffe Gebirgslandschaften ziehen an uns vorbei. Zum Glück sind unsere Mägen resistent gegen die vielen Kurven und Schlaglöcher durch die der Bus rumpelt. Der Blick aus dem Fenster schweift über bunte Wiesen und sanfte Hügel bis hinauf zur nächsten Bergmassivkette. Grandiose Aussicht.

Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Menschen in den Dörfern, die wir durchqueren, bettelarm sind. Die Hütten der hier siedelnden Hmong Stämme sind fensterlos und aus sehr breiten Brettern gebaut, damit sie der Witterung besser standhalten können. Die Dächer werden aus Schindelgräsern hergestellt. Sie wirken alles andere als wetterfest.

 

 

Endlich können wir wieder mit dem Roller durch die Landschaft düsen. Der Zustand der Straßen ist grottenschlecht. Der Verkehr hingegen hält sich in Grenzen. Das wunderbare Gefühl frei zu sein erfasst uns. Der Wind zerzaust meine Haare, Reisfelder und Karstfelsen fliegen an uns vorbei. Man könnte Wochen zubringen, um die ganze Gegend zu erforschen.

 

Leider können wir uns nur auf der einzigen asphaltierten Straße entweder gen Norden oder Süden bewegen. Riesige Schlaglöcher müssen umfahren werden. Die Schotter-und Sandwege sind noch unangenehmer zu befahren.

 

Trotz aller Vorsicht fängt der Roller plötzlich an zu schlingern. Wir stoppen am Straßenrand und stellen fest: Der Vorderreifen ist platt wie eine Flunder.

 

Vang Vieng liegt etwa 15km südlich von unserem Standpunkt. Es ist 14 Uhr, die Sonne gibt sich Mühe. Sie knallt unerbittlich auf unsere Köpfe. Wir haben weder Telefonnummer von dem Mopedverleiher noch die unseres Resorts dabei.

 

Es bleibt nur die Möglichkeit ein Auto anzuhalten, um mich in das Städtchen mitzunehmen. Ich würde dann einen Transport für das Moped organisieren. Keiner hält an. Kleintransporter voll beladen mit Tubing-Gästen und LKW-Schläuchen rasen in einem Affentempo vorbei. Ein Fahrradfahrer stoppt kurz, hat aber auch keine Idee oder Lust uns zu helfen.

 

Ein komplett leerer Kleinbus fährt trotz unserer verzweifelten Armbewegungen weiter. Mich wundert, dass mein Mann so ruhig bleibt. Nach 30 Minuten vergeblicher Mühe Hilfe zu bekommen bin ich mit den Nerven am Ende. Ich schlage vor, mich zu Fuß auf den Weg zu machen. Wir haben nicht ewig Zeit, denn um 18 Uhr bricht die Dunkelheit herein, ohne Dämmerungsphase.

Erneut fährt ein Kleintransporter an uns vorbei. Er wird langsamer und hält schließlich an. Ein schmächtiger einheimischer Mann steigt aus und erkennt sofort unser Problem. Nach Rücksprache mit seiner Frau im Auto bietet er uns an, mich für umgerechnet 5 Euro mitzunehmen nach Vang Vieng. Dort müsste ich dann ein Fahrzeug für den Rücktransport des Mopeds besorgen.

 

Wir sind natürlich einverstanden, doch er steigt wieder vorn ins Auto ein. Verzweifelt schauen wir uns an. Haben wir was falsch verstanden? Englisch spricht er nicht und wir kein Lao. War das alles ein Missverständnis?

 

Nach 5 Minuten kommt er zurück und macht einen Vorschlag. Für 10 Euro, was etwa 4 Tageslöhnen entspricht, nähme er nicht nur mich, sondern auch Friedrich samt Moped mit.

 

Als er die Plane seiner Ladefläche beiseite schiebt, sinkt unsere Hoffnung bald heimzukommen auf den Nullpunkt. Das Auto ist voller Geschirrartikel: Teller, Töpfe, große, kleine, mittlere Siebe, Wäschekörbe, Suppenkellen, alles bunt durcheinander gewürfelt. Der Mini-LKW ist knallvoll. Wo soll das Moped hin? Mit hängenden Schultern, komplett mutlos schauen wir zu, wie der gelenkige Mann größere Wäschekörbe in den vorderen Teil der Ladefläche verfrachtet.

Er schmeißt die Siebe hinterher und deutet uns an, dass wir jetzt mit vereinten Kräften das Moped auf die Ladefläche hieven können. Ein Schemel muss noch weggeräumt werden. Jetzt steht der Roller schräg mit leichtem Überhang auf dem Gefährt. Der Geschirrhändler strahlt. Er holt ein Seil und befestigt das Moped sorgfältig. Wohin aber mit Friedrich fragen wir ihn gestikulierend. Er holt den Schemel wieder hervor. Dieser wird neben das Moped platziert und Friedrich kann Platz nehmen. Ich darf vorn im Fahrerhaus neben der Frau sitzen.

 

Friedrich hält tapfer die 15km Schlaglochpiste durch.

 

Ein Bild für Götter: Ein großer korpulenter Mann mit baumelnden Suppenkellen und Sieben vor der Nase, sitzt auf winzigem Schemel am Rand der Ladefläche eines Transporters, hält einen Motorroller fest, dessen Hinterrad über die Ladefläche hinausragt.

 

Alle, die uns überholen lachen und hupen wie wild. Mithilfe einer Sprachfibel im Reiseführer versuche ich mit dem Ehepaar zu kommunizieren. Sie wollen wissen, ob wir verheiratet sind. Beide strahlen, als ich kapiere, dass sie 6 Kinder haben.

Beim Vermieter angekommen wird das Moped unter Gelächter entladen. Leute strömen zusammen. Wir bezahlen die Zeche und die hilfsbereiten Geschirrhändler eröffnen an Ort und Stelle ihr Geschäft. Sie verkaufen etliche Siebe zusätzlich. Der Vermieter verlangt umgerechnet 2 Euro für einen neuen Schlauch. Morgen können wir wieder auf die Piste.

 

Was für ein Glückstag für alle Beteiligten.

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