Au Backe, Zahnschmerzen in Bangkok

 

Meine Erkältung klingt ab, wir können die Stadt Pakse in Laos planmäßig verlassen.

 

Leider gibt es ein neues Problem. Friedrich eröffnet mir, dass sein gesundes Auge nicht in Ordnung ist. Er will in Bangkok sicherheitshalber im Krankenhaus alles abklären lassen. Wir lassen schweren Herzens die bereits gebuchte Zugfahrt von Bangkok in den Süden Thailands verfallen und buchen ein Hotelzimmer in der Hauptstadt. Per mail erhalten wir einen Termin im renommierten Bumrungrad International Hospital, verlassen am Nachmittag Pakse in Richtung Thailand und steigen in Ubon Ratchathani in den Nachtbus. Um 6 Uhr morgens erreichen wir Bangkok. Ein Taxi bringt uns ins Hotel und pünktlich um 10 Uhr erscheinen wir an der Rezeption des Krankenhauses.

 

So ein Krankenhaus würden wir uns in Deutschland wünschen. Der ambulante Bereich verfügt über 21 Stockwerke mit 275 Untersuchungseinheiten. Wir rasen mit dem Fahrstuhl hinauf in die Skylobby im 10. Stock. Hier glauben wir in einem internationalen Hotel gelandet zu sein. Menschen aus aller Herren Länder begegnen uns. Verschleierte Frauen ganz in schwarz, Männer in weiße Kaftane gehüllt, schlanke, hochgewachsene Afrikaner in bunten Gewändern, europäische Geschäftsleute in schicken Anzügen und Touristen wie wir in Freizeitkleidung schweifen in der Empfangshalle umher.

 

Nach kürzester Zeit sind wir angemeldet und keine zehn Minuten später werden wir von einer freundlichen Dame in traditioneller thailändischer Kleidung in ein Arztsprechzimmer geführt. Die Ärztin ist überaus kompetent, untersucht gründlich und erklärt in bestem Englisch die Situation. Es ist zum Glück alles in Ordnung. Mir fällt ein Felsbrocken vom Herzen. Friedrich ist erleichtert, doch auf dem Weg zurück ins Hotel nehmen wir unsere Zahnschmerzen, die wir mit Tabletten im Zaum gehalten hatten, wahr.

Nachts im Bus hatten wir komischerweise beide Zahnschmerzen bekommen. War das Einbildung? Die Pillen verfehlten ihre Wirkung nicht, aber jetzt schmerzt mein wackelnder Zahn heftig. Friedrich geht es nicht anders. Er hält sich die Wange und kann gar nicht glauben, dass es mir ähnlich geht. Ein Zahnarzt muss gefunden werden. Schnell. Auf die Idee, dass in der Ambulanz des tollen Krankenhauses auch Zahnärzte praktizieren, kommen wir nicht. Im Internet beeindruckt uns die Anzeige von Dr. Sunil. Wir melden uns an, schildern unsere Schmerzen und werden eine halbe Stunde später von einer Limousine des Zahnarztes abgeholt. Der Chauffeur hält uns die Tür auf. Im Fond des edlen Wagens befindet sich eine kleine Bar. Man ermutigt uns, ein Glas Wasser zu trinken und ein kleines Geschenk in Form einer Zahnbürste liegt für uns bereit.

 

 

Nach wenigen Kilometern durch den alltäglichen Stau auf der Sukhumvit Road, einer der wichtigsten und längsten Hauptstraßen Bangkoks, biegt der Fahrer in ein privates Wohnviertel ab, gesichert durch eine Schranke. An der Tür eines Wohnhauses, von außen unscheinbar, steht ein Begrüßungskomitee: Manager, Hilfsjunge und Masseurin. Alles Inder. Der Zahnarzt selbst auch, allerdings begrüßt er uns nicht persönlich. Eine lebensgroße Figur aus Pappmaché mit seinem Konterfei heißt uns stumm mit ausgebreiteten Armen willkommen.

 

Wir dürfen in der mit Brokat bezogenen Sesseln ausgestatteten Lobby Platz nehmen, man reicht uns Wasser und noch ein Zahnbürstenset als Souvenir. Wir sind die einzigen Patienten. Friedrich schaut mich fragend an, ich zucke die Schultern. Wo sind wir hier hin geraten? Egal, die Schmerzen werden unerträglich. Wir sind auf fast alles gefasst.

 

Endlich bringt uns der Boy in den ersten Stock. Genau wie im Erdgeschoß hängen schwere, grüngoldene Brokatvorhänge an den Fenstern, goldfarbene Tapeten an den Wänden. Ich denke an das Märchen "der Hexenkoffer" als wir über verblichene knarrende Dielen, die zu einer Holztür führen, gebracht werden. Jetzt fehlt nur noch die Hexe, die uns durch die Tür in ihr Reich entführt.

 

Keine Hexe, sondern eine Arzthelferin öffnet die Tür. Der Röntgenraum. Wissen die Helferinnen, dass Strahlen der Gesundheit schaden? Wir bestehen darauf eine Bleischürze zu tragen.

 

Nach einer weiteren halben Stunde Wartezeit in der Lobby werden wir nacheinander in den Behandlungsraum gebeten. Er ist ähnlich ausstaffiert wie die anderen Räumlichkeiten. Riesige Kristallkronleuchter baumeln von der Decke. Überall Goldverzierungen, Brokattapeten, Firlefanz.

 

Der große Meister erscheint. Seine langen Haare fliegen ihm ungepflegt um den Kopf herum. Meinen schmerzenden Backenzahn müsse er ziehen, sonst hätte ich nie mehr Freude am Leben. Doch zunächst rechnet er aus, was der Spaß kosten soll. Er fragt nach meiner Nationalität und meint, in Deutschland würden für seine Dienste 150 Euro anfallen. Diese Summe müsse er mir in thailändischer Währung Baht abnehmen. Mir ist inzwischen alles egal. Ich nicke mit dem Kopf und er haut mir eine Spritze unsensibel ins Zahnfleisch. Das hätte er sich sparen können. Nach nur 2 Minuten reißt er mir den Zahn mit der Hand raus. Es tut kurz sehr weh, aber dann spüre ich Erleichterung. Bei Friedrich läuft die Behandlung ähnlich ab.

 

Zurück in der Lobby stattet uns der Manager mit Antibiotika, Schmerzmittel und einer CD aus, auf der die Röntgenaufnahmen unserer Gebisse zu sehen sind. Immerhin.

 

 

Der Chauffeur bringt uns zurück ins Hotel. Erst jetzt beginnt die Betäubungsspritze zu wirken. Wir lassen das Erlebnis Revue passieren und lachen bis Tränen fließen. Zahnweh sind weg, Tabletten brauchen wir keine, ab zum Chao Phraya Fluss auf ein kühles Bier.

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